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Wer wollte es Virgil übelnehmen, wenn er den Schild seines Helden beschreibt; wer lauscht nicht gerne auf die kriegerischen Worte eines Tasso, wenn er die glänzenden Waffen seines Rinaldo oder Tancred singt. Es sind Männer, die von Männern, es sind edle Sänger, die von Helden singen. Überwiegt aber nicht der Ekel noch das Lächerliche, wenn man einen preußischen Geheimen Hofrat hört, wie er den Putz einer Dame vom Kopf bis zu den Zehenspitzen beschreibt; es kömmt freilich sehr viel darauf an, ob auf dem hohlen Schädel seiner Mimilis ein italienischer Strohhut oder eine Toque[WS 1] von Seide sitzt, ob die Federn, die solche schmücken, Marabu- oder Straußfedern oder gar Paradiesvögel sind; und dann die niedlichen „Sächelchen“ von Ohrgeschmeide, Halsbändern, Brasseletts etc., daß „einem das Herz puppert“, und dann die Brüßler Kanten um die wogende Schwanenbrust, und das gestickte Ballkleid, und die durchbrochenen Strümpfe, und die seidenen Pariser Ballschuhe, oder ein Negligee wie aus dem leichtesten Schnee gewoben, und dieses Überröckchen, und jenes Mäntelchen, und dieses Spitzenhäubchen, aus dem sich die goldenen Ringellöckchen hervorstehlen. O sancta simplicitas![WS 2] Und ihr kneipt, um mich seiner Sprache zu bedienen, ihr kneipt die Knie nicht zusammen, meine Damen, und wollet euch nicht halb zu Tode lachen über den köstlichen Spaß, daß ein preußischer Geheimer Hofrat eurer Zofe ins Handwerk greift und euch vorrechnet, was man im Putzladen der Madame Prellini haben kann? Leider, ihr lachet nicht! Ihr leset den allerliebsten Modebericht mit großer Andacht, ihr sprechet, das ist doch einmal eine Lektüre von Geschmack; nichts Überirdisches, Romantisches, tout comme chez nous[WS 3], bis aufs Hemde hat er uns beschrieben, der deliziöse Mann, der Clauren!

Ein drittes Ingredienz für Mädchen sind die magnifiken Bälle, die er alljährlich gibt. Hu! wie da getanzt wird, daß das Herzchen „im Vierundsechzigstel-Takt pulsiert!“ Wie schön! Vornehme Damen, die bei Präsidents A., bei Geheimrats B., bei dem Bankier C. oder gar bei Hofe Zutritt haben, finden alles „haarklein“ beschrieben, von der Polonäse bis zum Kotillon. Arme Landfräulein, die nur in das nächste Städtchen auf den Kasinoball [235] kommen können, lesen ihren Clauren nach, ihre Phantasie trägt sie auf den herrlichen Ball bei Hof und „der Himmel hängt ihnen voll Geigen“. Putzjungfern, welche Ballkleider verfertigen, ohne sich selbst darin zeigen zu können, Kammermädchen, die ihre Dame zu dem Ball „aufgedonnert“ haben, nehmen beim Schein der Lampe ihren Clauren zur Hand, treten unter dem Tische mit den tanzlustigen Füßen den Takt eines Schnellwalzers und träumen sich in die glänzenden Reihen eines Fastnachtballes! Treffliches Surrogat für tanzlustige Seelen, köstliche Stallfütterung für Schafe, die nicht auf der Weide hüpfen können!

Als ein viertes treffliches Hauptingredienz für liebevolle, weibliche Seelen ist das vollendete Bild eines Mannes, wie er sein soll, zu rechnen, das Clauren zu geben versteht. In der Regel zeichnen sich diese Leute nicht sehr durch hohe Verstandesgaben aus, doch wir wollen diesen Fehler an Clauren nicht rügen; wo nichts ist, sagt ein altes Sprüchwort, da hat der Kaiser das Recht verloren. Statt des Verstandes haben die Vergißmeinnicht-Männer herrliche Rabenlocken, einen etwas schwindsüchtigen Teint, der sie aber schmachtend und interessant macht, unter 5 Fuß 6 Zoll darf keiner messen; kräftige, männliche Formen, sprechende Augen, die Hände und Füße aber wie andere Menschen. Sie sind gerade so eingerichtet, daß man sich ohne weiteres auf den ersten Augenblick in sie verlieben muß. Dabei sind sie meistens arm, aber edel, stolz, großmütig und heiraten gewöhnlich im fünften Akt. Auf welche edle weibliche Seele sollte ein solcher Held neuerer Zeit nicht den wohlthuendsten Eindruck machen, wenn sie von ihm liest? Sie schnitzelt das Bild des Obergesellen oder Jagdschreibers oder Apothekergehülfen, das sie im Herzen trägt, so lange zurecht, bis er ohngefähr gerade so aussieht wie der Allerschönste im allerneuesten Jahrgang des allerliebsten Vergißmeinnicht.

Fünftens: Von schimmernden Lüsters, von deckenhohen Trümeaus, von herrlichen Sofas, von feengleicher Einrichtung, von Sepiamalerei und dergleichen wäre hier noch viel zu reden, wenn es die Mühe lohnte.

Gehen wir, andächtige Versammlung, über zu den Ingredienzien und Zuthaten für Männer, so können wir hier leicht

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Zylinderförmiger Hut ohne Krempe (vgl. Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon, Leipzig 1911, Bd. 2, S. 849).
  2. Lateinisch: O heilige Einfalt!
  3. Französisch: Ganz wie bei uns.
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 234–235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_120.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)