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Zivil eine Pistole losbrenne; den übrigen war es übrigens nicht so ganz wohl zu Mut; das schnelle Ende des Streites hatte aus allen Köpfen den Champagnerdampf weggeblasen, man dachte doch ernstlich an die Affaire, und manchen wollte es bedünken, daß sie doch im heillosen Übermut herbeigeführt worden sei. Man äußerte dies auch unverhohlen gegen Sporeneck, und auch er schien so etwas zu denken; doch versteckte er diese Gedanken hinter lustigem Lachen und beauftragte Schulderoff, sogleich zum Grafen zu gehen, um die Sache ins reine zu bringen. Nach einer Viertelstunde kam dieser wieder sehr ernst zurück und sagte: „Sporeneck, morgen früh acht Uhr, auf Pistolen.“

Diese lakonische Meldung machte einen ganz eigenen Eindruck auf die Gesellschaft; es war allen, als seie doch etwas Ungerechtes vorgefallen, und keinem war es recht behaglich, an morgen zu denken. Man bestürmte Schulderoff mit Fragen, wie er es aufgenommen und dergleichen, er erzählte:

„Die beiden Fremden seien in ziemlich ruhigem Gespräch miteinander im Zimmer auf und ab gegangen, als er eingetreten sei. Sie haben ihn sehr höflich und zuvorkommend empfangen, er aber habe seinen Auftrag ausgerichtet und den Grafen zuerst gefragt, ob er seine Beleidigung zurücknehmen wolle. Dieser habe ganz ruhig mit nein geantwortet, worauf er ihn gefordert; sie seien auf Pistolen einig geworden und haben die Wiese hinter dem Gottesacker zum Kampfplatz ausgewählt. Für einen Sekundanten lasse er danken, der alte Herr, der bei ihm ist, werde ihm sekundieren.“ Der Rittmeister schien vor Freude außer sich zu sein, daß er seinem Rivalen mit guter Manier eins auf den Pelz brennen könne; er wollte mit dem Champagner weiter machen, die nüchtern gewordenen Kameraden ließen es aber nicht zu, baten ihn, auf morgen recht fest auszuschlafen und versprachen, um sieben Uhr allesamt bei Schulderoff zu frühstücken.



Noch einmal zieht er vor des Liebchens Haus.

Als Ida am Morgen, der zu dem Duell festgesetzt war, kaum aufgestanden, eben sich mit der Toilette beschäftigte, hörte sie [175] Pferdegetrappel gegenüber am Mond; sie trat ans Fenster und schob den Vorhang ein wenig zurück, es standen drei Pferde vor dem Wirtshaus, wovon sie das eine bestimmt für das von Martiniz erkannte. „Wo er nur hinreiten mag an diesem kalten Tag, ob er –“ der Gedanke an eine plötzliche Abreise ohne Abschied durchblitzte sie, daß ihr die hellen Perlen in den zarten Wimpern hingen. Doch sie hatte ja darüber einen Trost, der sie zugleich tief betrübte: die Gräfin war ja noch hier; sie wußte nichts von seiner Abreise, er konnte also doch nicht so schnell reisen. Endlich glaubte sie Emils Stimme aus dem Thorweg herauf zu hören: „Adieu, Madam, adieu!“ es galt offenbar der Mondwirtin; o wie gerne wäre sie in diesem Augenblicke die Ehehälfte des Mondwirts gewesen, um ihn zu sehen und das freundliche Adieu von seinen Lippen zu hören!

Der alte Brktzwisl, die gute, treue Seele, sprang hervor, ergriff den Zügel von Martiniz’ Pferd und stellte ihn zum Aufsitzen zurecht, jetzt kam Mart– nein, ein Offizier in fremder glänzender Uniform. Jetzt kam auch der alte Herr von Ladenstein, der sie gestern so trefflich unterhalten hatte; wo blieb aber nur Emil? Der alte Herr, heute mit vielen Orden behängt, schwingt sich auf sein Pferd; jetzt auch der Offizier. „Eine schöne, geschmackvolle Uniform“, dachte Ida; wenn sie nicht irrte eine polnische oder russische, vielleicht ein Bekannter von Martiniz; aber die Gestalt kam ihr so bekannt vor, wie, sollte etwa Em– doch nein, er war ja nicht Soldat und trug auch keinen Orden, und diesem glänzte der Wlademir in Diamanten auf der Brust – wenn er, eine kleine Neugierde ist ja verzeihlich, wenn er doch nur den hohen Ulanenkalpak ein wenig hintersetzte, daß sie sein Gesicht sehen könnte.

Jetzt war alles in Richtigkeit, der alte Herr schaute am Haus herauf und stieß den Offizier an, er richtet das Haupt auf, er sah herauf – es war Emil von Martiniz.

Wie schön, wie götterschön war dieser Mann. Wie herrlich kleidete ihn die Uniform! wie hingegossen saß er auf seinem stolzen Roß; die dunkeln Locken stahlen sich unter dem Sturmband des Tschapkas hervor und beschatteten die blendend weiße Stirne; das dunkle Auge voll hohen Ausdrucks hatte heut’ eine Bedeutung,

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Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 174–175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_3_090.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)