Seite:De Wilhelm Hauff Bd 2 021.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke

also gefällig, will ich ein Schlücklein zu mir nehmen.‘ Nun tranken sie sich zu und hielten ein Gespräch über Krieg und Frieden und über die Schlachten, so geliefert worden; die Ratsherren aber, um den Fremden mit gutem Beispiel voranzugehen, tranken sich weidlich zu und bekamen rote Köpfe. Bei jeder neuen Flasche entschuldigten sich die Fremden, wie sie gar den Wein nicht gewohnt wären und er ihnen zu Kopf steige; des freute sich der Bürgermeister, trank in seiner Herzenslust ein Paßglas um das andere, so daß er nicht mehr recht wußte, was zu beginnen. Aber, wie es zu gehen pflegt in diesem wunderbaren Zustand, er dachte: ‚Jetzt ist er betrunken, der Gesandte, und auch dem Schreiber hat der Doktor tüchtig zugesetzt‘; und sprach daher: ‚Nun wollen wir anfangen mit unserem Geschäft.‘ Das waren die Fremden zufrieden, thaten, wie wenn sie voll Weines wären und tranken auf ihrer Seite den Herren weidlich zu.

Da wurde nun gesprochen und getrunken, gehandelt und wieder getrunken, bis der Bürgermeister mitten im Satz einschlief und der Doktor Schnellpfeffer unter dem Tische lag. Da kamen denn die andern Ratsherren und tranken den Fremden zu und führten die Verhandlung fort; aber trank der Hauptmann lästerlich, so machte es sein Reitknecht nicht schlimmer; fünf Küper mußten immer hin- und herlaufen und einschenken, denn der Wein verschwand von dem Tisch, als wäre er in den Sand gegossen worden. So geschah es, daß die Gäste nacheinander den ganzen Rat unter den Tisch tranken bis auf einen.

Dieser eine aber war ein großer, starker Mann, mit Namens Walther, von welchem man allerlei sprach in Bremen, und wäre er nicht im Rat gesessen, man hätte ihn längst böser Künste und Zauberei angeklagt. Herr Walther war seines Zeichens eigentlich ein Zirkelschmied gewesen, hatte sich aber hervorgethan in seiner Gilde, war unter die Ältermänner gekommen und nachher in den Senat. Dieser hielt aus bei den Gästen, trank zweimal soviel als beide, so daß ihnen ganz unheimlich wurde, denn er war so verständig wie zuvor, während der Hauptmann schon trübe Augen bekam und glaubte, es gehe ihm ein Rad im Kopf herum. So oft der Senator Walther ein Paßglas getrunken, [39] fuhr er mit der Hand unter den Hut, und dem Reitknecht kam es vor, als sehe er ein bläuliches Wölkchen, ganz fein wie Nebel, aus seinem rabenschwarzen Haar hervorsteigen. Er trank wacker darauf los, bis der Hauptmann Gutkunst selig entschlief und sein Haupt ganz weich auf des Bürgermeisters Bauch legte.

Da sprach der Senator Walther mit sonderbarem Lächeln zu dem Schreiber des Gesandten: ‚Lieber Geselle, du führst einen mächtigen Zug, ich vermeine aber, daß du mit dem Roßstriegel besser fortkommst als mit der Feder.‘ Da erschrak der Schreiber und sprach: ‚Wie meinet Ihr dies, Herr! ich will nicht hoffen, daß Ihr mir Hohn sprechen wollt; bedenket, daß ich Seiner Majestät Gesandtschaftsschreiber bin.‘

‚Hohoh!‘ rief der andere mit schrecklichem Lachen, ‚seit wann haben denn ordentliche Gesandtschaftsschreiber solche Kittel an und führen solche Federn bei der Sitzung?‘ Da sah der Reitknecht auf sein Kleid und bemerkte mit großem Schrecken, daß er seinen gewöhnlichen Stallkittel anhabe, er sah auf seine Hand, und siehe da, statt der Feder hielt er eine ganz gemeine Kratzbürste. Da entsetzte er sich und sah sich verraten und wußte nicht, wie ihm geschah. Herr Walther aber lächelte seltsam und höhnisch und trank ihm einen Humpen von anderthalb Maß zu auf einen Zug, fuhr dann mit der Hand hinter die Ohren, und der Reitknecht sah ganz deutlich, wie ein feiner Nebel aus seinem Kopf kam. ‚Gott soll mich bewahren, Herr! daß ich fürder mit Euch trinke‘, rief er; ‚Ihr seid ein Schwarzkünstler, wie ich nun vermute, und könnt mehr als Brot essen.‘

‚Darüber wäre noch vielerlei zu sagen‘, antwortete Walther ganz ruhig und freundlich, ‚aber es würde dir auch nicht viel helfen, wertgeschätzter Stallknecht und Roßkamm, wenn du mir fürder zusetztest mit Trinken, mich trinkst du nicht unter den Tisch, was maßen ich einen kleinen Hahnen in mein Gehirn geschraubt habe, durch welchen der Weindunst wieder herausfährt. Schau’ zu!‘ Dabei trank er ein großes Paßglas aus, wandte seinen Kopf herüber zu dem Reitknecht Ohnegrund, strich sein Haar zurück und siehe da, in seinem Kopf steckte ein kleiner, silberner Hahn, wie an einem Faß; da drehte er den Zapfen um, und ein bläulicher

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 38–39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_2_021.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)