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vergießt Thränen? Ich weiß die Quelle dieses klaren Taues, es ist die Erinnerung an Unser bitteres Geschick, die Wir selbst heraufbeschworen haben. Hinweg mit diesen Thränen, schöne Frau. Am Hochzeittag ist es kein gutes Zeichen. Doch mit Verlaub Eures Eheherrn will ich jetzt eine alte Schuld einziehen, Ihr wißt noch welche?“

Marie errötete und warf einen forschenden Blick nach Georg hinüber, als fürchte sie, jenes alte Übel, das sie oft kaum zu beschwören vermochte, möchte wiederkehren. Georg wußte recht wohl, was der Herzog meine, denn jene Szene, die er hinter der Thüre belauschte, war ihm noch immer im Gedächtnis; doch er fand Gefallen daran, den Herzog und Marien zu necken, und antwortete, als diese noch immer schwieg: „Herr Herzog, wir sind jetzt zusammen ein Leib und eine Seele, wenn also meine Frau in früheren Zeiten Schulden gemacht hat, so steht es mir zu, sie zu bezahlen.“

„Ihr seid zwar ein hübscher Junge“, entgegnete Ulerich mit Laune, „und manche unserer Fräuleins hier am Tische möchte vielleicht gerne einen solchen Schuldbrief an Euren schönen Mund einzufordern haben; mir aber kann dies nicht frommen, denn meine Urkunde lautet auf die roten Lippen Eurer Frau.“

Der Herzog stand bei diesen Worten auf und näherte sich Marien, die bald errötend, bald erbleichend ängstlich auf Georg herübersah; „Herr Herzog“, flüsterte sie, indem sie den schönen Nacken zurückbog, „es war nur Scherz; – ich bitte Euch.“ Doch Ulerich ließ sich nicht irre machen, sondern zog die Schuld samt Zinsen von ihren schönen Lippen ein.

Der alte Herr von Lichtenstein sah bei dieser Szene finster bald auf den Herzog, bald auf seine Tochter, vielleicht mochte ihm Ulerich von Hutten beifallen, denn seine Blicke streiften auch ängstlich auf seinen Schwiegersohn. Der Kanzler Ambrosius[WS 1] Volland aber schaute mit höhnischer Schadenfreude aus den grünen Äuglein auf den jungen Mann; „Hi, hi“, rief er ihm zu; „ich leere meinen Becher auf gutes Wohlsein. Eine schöne Frau ist eine gute Bittschrift in aller Not; wünsche Glück, liebster, wertgeschätzter Herr; hi! hi! ’s ist ja auch was Unschuldiges, so lange es vor den Augen des Ehemanns geschieht.“

[373] „Allerdings, Herr Kanzler!“ erwiderte Georg mit großer Ruhe, „um so unschuldiger, als ich selbst dabei war, wie meine Frau Seiner Durchlaucht diesen Dank zusagte. Der Herr Herzog versprach beim Vater für uns zu bitten, daß er mich zu seinem Eidam annehme, und bedung sich dafür diesen Lohn an unserem Hochzeittage.“

Der Herzog sah den jungen Mann mit Staunen an, Marie errötete von neuem, denn sie mochte sich jene ganze Szene ins Gedächtnis zurückrufen, aber keines von beiden widersprach ihm, sei es, weil sie es für unschicklich hielten, ihn Lügen zu strafen, sei es, weil sie ahnten, er könne sie belauscht haben. Aber Ulerich konnte doch nicht unterlassen, ihn heimlich um die nähern Umstände zu befragen; er teilte sie ihm in wenigen Worten mit.

„Du bist ein sonderbarer Kauz!“ flüsterte der Herzog lachend, „was hättest du denn gemacht, wenn Wir damals ein Küßchen erobert hätten?“

„Ich kannte Euch noch nicht“, flüsterte Georg ebenso leise, „drum hätte ich Euch auf der Stelle niedergestochen und an die nächste Eiche aufgehängt.“

Der Herzog biß sich auf die Lippen und sah ihn verwundert an; dann aber drückte er ihm freundlich die Hand und sagte: „Da hättest du alles Recht dazu gehabt, und Wir wären in unsern Sünden abgefahren. – Doch siehe, da bringen sie wieder Spenden für die Braut.“

Es erschienen jetzt die Diener der Ritter und Edlen, die zur Hochzeit geladen waren, die trugen allerlei seltenes Hausgerät, Waffen, Stoff zu Kleidern und dergleichen; man wußte zu Stuttgart, daß es der Liebling des Herzogs sei, dem dieses Fest gelte; drum hatte sich auch eine Gesandtschaft der Bürger eingestellt, ehrsame, angesehene Männer in schwarzen Kleidern, kurze Schwerter an der Seite, mit kurzen Haaren und langen Bärten. Der eine trug eine aus Silber getriebene Weinkanne, der andre einen Humpen aus demselben Metall, mit eingesetzten Schaumünzen geschmückt. Sie nahten sich ehrerbietig zuerst dem Herzog, verbeugten sich vor ihm, und traten dann zu Georg von Sturmfeder.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Ambosiusr
Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Hauff: W. Hauffs Werke. Bibliographisches Institut, Leipzig, Wien 1891–1909, Seite 372–373. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wilhelm_Hauff_Bd_1_209.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)