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nachzudenken, über ein philosophisches Problem oder dergleichen Lappalien.

Aber alles das liegt an der schlechten Bauart unserer Häuser und an der schlechten Bauart unserer schlechten Gesellschaft. Wie in Menagerien leben wir in Käfigen und in Vogelbauern. Die Löwen verlernen das Brüllen, die Adler das Fliegen und die Nachtigallen das Singen. Unser halbes Leben verstreicht mit nichtsnutziger Arbeit, bei unbefriedigter Sehnsucht. Aus Titanen[1] werden Philister[2] und aus himmlischen Huris[3]: hysterische, alte Jungfern. Zu erbärmlichen, rücksichtsvollen Pedanten hat uns die gute Sitte gemacht, zu rechten Geizhälsen, die ihre Schätze so lange konserviren, bis sie rostig und schimmelich sind. Wir faseln wie der König Salomo[4], als er 70 Jahr war und meinen wir etwas Neues gesagt oder gethan zu haben, da war es doch nur altes, abgetackeltes Zeug, was die Griechen schon besser sagten und thaten als wir, was längst im Homeros[5] steht, zugänglich für jeden Tertianer[6].

Ach, nach Kaffe riechen wir, nach Wolle, nach alten Büchern und nach schmutzigen Akten – nur nicht nach Menschen! Schöne Kerls sind wir. Wenn die alten Götter noch leben, so werden sie sich hübsch über uns mokiren, daß wir mit all’ unserm Scharfsinn, mit unserer immensen Klugheit doch nur so


  1. der griechische Gott Titan ist in der Mythologie ein Nachkomme des Uranos und der Gaia, von denen die Titanen abstammen
  2. Die Philister waren ein nichtsemitisches vielleicht indoeuropäisches Volk, das um 1175 v. Chr. in der levantinischen Küstenlandschaft ansässig wurde. Die Kultur der Philister verlor sich durch Anpassung und Unterwerfung.
  3. Jungfrauen im Paradies, die nach islamischem Glauben zur Belohnung der Seligen dienen
  4. Nach Schilderungen aus der Bibel war Salomo (auch Salomon, im hebräischen Original: Schlomo) der dritte König von Israel und Juda.
  5. Homer ist der erste griechische Dichter, dessen Name überliefert wurde. Er lebte vermutlich im 8. Jahrhundert v. Chr. (oder später) in Kleinasien.
  6. Jahrgangsstufen des Gymnasiums mit lateinischen Zahlwörtern und römischen Ziffern bezeichnet, die Mittelstufen Unter- und Obertertia entsprechen der 8. und 9. Klasse
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Georg Weerth: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Tübingen 1849, Seite 184. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weerth_Schnapphahnski_184.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)