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Ludwig I. Großherzog von Hessen: 0Verfassungsurkunde des Großherzogthums Hessen.

 

Artikel 71.

In außerordentlichen Fällen, wo drohende äußere Gefahren die Aufnahme von Capitalien dringend erfordern, die Einberufung der Stände aber, oder eine vorläufige Berathung mit denselben durch äußere Verhältnisse unmöglich gemacht wird, kann die Staatsregierung die erforderlichen Summen lehnbar aufnehmen, vorbehaltlich der Nachweisung ihrer Verwendung und der Verantwortlichkeit der obersten Staatsbehörde.

Artikel 72.

Ohne Zustimmung der Stände kann kein Gesetz, auch in Bezug auf das Landes-Policey-Wesen gegeben, aufgehoben oder abgeändert werden.
Wenn bei bestehenden Gesetzen die doctrinelle Auslegung nicht hinreicht, so tritt nicht authentische Auslegung, sondern die Nothwendigkeit einer neuen Bestimmung, durch einen Act der Gesetzgebung ein.

Artikel 73.

Der Großherzog ist befugt, ohne Ständische Mitwirkung, die zur Vollstreckung und Handhabung der Gesetze erforderlichen, so wie die aus dem Aufsichts- und Verwaltungsrecht ausfließenden Verordnungen und Anstalten zutreffen, und in dringenden Fällen das Nöthige zur Sicherheit des Staats vorzukehren.

Artikel 74.

Dem Großherzoge steht die ausschließende Verfügung über das Militär, die Formation desselben, die Disciplinar-Gewalt und das Recht, alle, den Kriegsdienst betreffenden Verordnungen zu erlassen, ohne ständische Mitwirkung zu.
Der erlassene und von dem Großherzoge hinsichtlich der Offiziere noch zu erlassende Militär-Straf-Codex soll jedoch, in so ferne er sich nicht auf die bezeichneten Gegenstände bezieht, ohne ständische Mitwirkung künftig keine Abänderung erleiden.

Artikel 75.

Wenn auch nur eine Kammer gegen einen Gesetzesvorschlag stimmt, so bleibt das Gesetz ausgesetzt.
Wird aber ein Solches Gesetz auf dem nächsten Landtage von der Regierung den Ständen wieder vorgelegt und wieder von der einen Kammer abgelehnt, von der andern aber angenommen, so werden, wenn die Regierung es nicht vorzieht, den Vorschlag zurückzunehmen, die Stimmen für und wider die Annahme in beiden Kammern zusammengezählt, und es wird, nach der sich dann ergebenden Stimmenmehrheit, für oder gegen die Annahme entschieden.

Artikel 76.

Gesetzes-Entwürfe können nur von dem Großherzoge an die Stände, nicht von den