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Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält

eure Künstler und Künstlerinnen, wie oft Brandmark des Namens den sie tragen, Parodien ihres geweihten Amtes, wie oft Auswurf der Menschheit? Eure gerühmte Schule der Sitten, wie oft nur die lezte Zuflucht des gesättigten Luxus? ein Hinterhalt des Muthwillens und der Satyre? Wie oft diese hohe göttliche Thalia eine Spaßmacherin des Pöbels, oder Staubleckerin an sehr kleinen Thronen? – Alle diese Ausrufungen sind unwiderleglich wahr, doch trift keine einzge die Bühne. Christus Religion war das Feldgeschrei, als man Amerika entvölkerte – Christus Religion zu verherrlichen mordeten Damiens und Ravaillac, und schoß Karl der Neunte auf die fliehenden Hugenotten zu Paris. – Wem aber wird es einfallen, die sanftmüthigste der Religionen einer Schandthat zu bezüchtigen, von der auch die rohe Thierheit sich feierlich lossagen würde?

Eben so wenig darf die Kunst es entgelten, daß sie in Europa nicht ist, was sie in Asien war, im achtzehnten Jahrhundert nicht ist, was unter Aspasia und Perikles. Genug für sie, daß sie es damals gewesen, und daß die Nation, bei welcher sie blühte, noch jezt unser Muster ist – Aber ich schreite zur Untersuchung selbst.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Schiller (Hrsg.): Thalia. Erster Band welcher das I. bis IV. Heft enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1785–1787, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Thalia_Band1_Heft1_006.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)