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stand mit seiner Sichel über den Bäumen im Südost. Rolf Lembeck blickte grübelnd in die Nacht hinaus.

„Nimm! So nimm doch, liebster Mann!“ hauchte das Kind und bot ihm ihre rothen Lippen.

Aber er drückte wie in Angst ihren Kopf an seine Brust. „Gieb mir nicht mehr, o Süße, Selige!“

Da lachte sie und riß das dunkle Köpfchen wieder gegen ihn auf. „Und was? So nimm doch, was Dein eigen ist!“

Aber der Mann stöhnte, in Wonne halb und halb in Schmerz: „O Dagmar, ein Feuer ist die Minne; es soll Dich nicht verbrennen!“

Sie verstand ihn nicht; sie frug auch nicht; nur als seine Lippen jetzt flüchtig ihre Stirn berührten, klagte sie: „Das ist ja nicht der Weg zum Herzen! Bist Du mir bös? Was that ich Dir?“

„Du, Dagmar!“ rief er und seine Augen leuchteten wie blaue Sterne, „Du fülltest mir das Herz mit Wonne; ich will nicht Todesnoth in Deines bringen! Hör mich, Du Schöne, Unirdische! Mir ist es oft ein Wunder, daß meine Hände Dich berühren können; mir ist, als seiest Du mein schöner Schattengeist, von dem die alten Mähren sagen, zwischen Lilien aus dem Mondscheinsee zu mir emporgestiegen; mir träumt zu Nacht, daß Flügel

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Theodor Storm: Ein Fest auf Haderslevhuus. Berlin: Paetel, 1886, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Ein_Fest_auf_Haderslevhuus_181.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)