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oder hielt man sie auch hier gefangenen? - Lang, gar lange sahe ich das Bildniß an; die alte Zeit stieg auf und quälete mein Herz. Endlich, da ich mußte, brach ich einen Bissen Brod und stürzete ein paar Gläser Wein hinab; dann ging ich zurück zu unserem todten Kinde.

Als ich drüben eingetreten und mich an die Arbeit setzen wollte, zeigete es sich, daß in dem kleinen Angesicht die Augenlider um ein Weniges sich gehoben hatten. Da bückete ich mich hinab, im Wahne, ich möchte noch einmal meines Kindes Blick gewinnen; als aber die kalten Augensterne vor mir lagen, überlief mich Grausen; mir war, als sähe ich die Augen jener Ahne des Geschlechtes, als wollten sie noch hier aus unseres Kindes Leichenantlitz künden: „Mein Fluch hat doch Euch Beide eingeholet!“ – Aber zugleich - ich hätte es um alle Welt nicht lassen können - umfing ich mit beiden Armen den kleinen blassen Leichnam und hob ihn aus an meine Brust und herzete unter bitteren Thränen zum ersten Male mein geliebtes Kind. „Nein, nein, mein armer

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Theodor Storm: Aquis Submersus. Berlin: Paetel, 1877, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Storm_Aquis_submersus_153.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)