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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält.

keine Gründe kennt? Aber gleichwohl auch nicht das zweite; denn wie kann ein treffendes Urtheil Unwissenheit genannt werden? Richtig urtheilen steht also in der Mitte zwischen wissenschaftlicher Erkenntniß und Unwissenheit.“ – Ich kann nichts dagegen einwenden. – „So mußt du also auch nicht schließen: was nicht schön ist, das ist häßlich; oder was nicht gut ist, das ist böse. Und folglich mußt du auch von Amor, ungeachtet du selbst vorhin eingeräumt hast, daß er weder gut noch schön sei, doch nicht folgern: er müsse also häßlich und böse sein. Es giebt ein Mittel zwischen beiden.“ – Allein, es wird doch von allen Menschen eingestanden, daß er eine große Gottheit sei. – „Von allen Unwissenden, meinst du wohl; oder rechnest du doch auch die Erfahrnen mit?“ – Von allen zusammen, meine ich. – „Wie, Sokrates, auch von denen würde Amor für eine große Gottheit gehalten, die ihn nicht einmal für eine Gottheit halten?“ – Wer wäre dies? – „Du und ich.“ – Wie kannst du das sagen? – „Sehr leicht! Sag mir nur: hältst du nicht alle Götter für seelig und für schön? oder würdest du es wagen zu behaupten, daß einer der Götter es nicht sei?“ – Beim Jupiter, Nein! – „Nennst du denn nicht denjenigen seelig, der das Gute und Schöne besizt?“ – Allerdings. – „Hast du aber nicht zugegeben, daß Amor nach

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Friedrich Schiller (Hrsg.): Neue Thalia. Zweyter Band, welcher das vierte bis sechste Stück enthält. Georg Joachim Göschen, Leipzig 1792, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Neue_Thalia_Band2_337.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)