Seite:De Kinder und Hausmärchen Grimm 1819 V1 287.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Es trug sich aber zu, daß ein Schäfer in dem Feld hütete und die Blume fand und weil sie gar zu schön war, nahm er sie mit sich heim und legte sie in seinen Kasten und sprach: „so schön habe ich noch keine Blume gefunden.“ Aber von der Zeit ging es wunderlich in des Schäfers Hause zu: wenn er Morgens aufstand, so war schon alle Arbeit gethan, die Stube gekehrt und geputzt, Feuer angemacht, Wasser getragen und Mittags, wenn er kam, war der Tisch gedeckt und gutes Essen aufgetragen. Er konnte nicht begreifen, wie das zuging, denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus; und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt angst, so daß er zu einer weisen Frau ging und sie um Rath fragte. Da sprach die weise Frau: „es ist Zauberei dabei, gieb einmal Morgens früh acht, ob sich etwas in der Stube bewegt und wann du etwas siehst, so wirf eilig ein weißes Tuch darüber, dann wird der Zauber gehemmt.“ Der Schäfer that wie sie gesagt hatte und am andern Morgen sah er, daß sich der Kasten aufthat und die Blume herauskam, da sprang er schnell herbei und warf ein weißes Tuch darüber. Alsbald war die Verwandelung vorbei und ein schönes Mädchen stand vor ihm, und das wars, was ihm bisher seinen Haushalt besorgt hatte. Und weil es so schön war, fragte er, ob es ihn heirathen wolle, aber es antwortete nein, denn es wollte seinem Liebsten Roland treu bleiben, doch versprach es bei ihm zu bleiben und ihm Haus zu halten.

Nun kam die Zeit heran, daß Roland Hochzeit halten sollte, da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht, es sollten

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1819). Berlin: G. Reimer, 1819, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1819_V1_287.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)