Seite:De Entstehung der Arten 1860 (Darwin) 503.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


im Stande ist. Diese Erscheinung ist folgende. Da die entstehenden Varietäten nach Darwin in der Regel sich nicht durch äussre Einflüsse und nie in Folge eines eigenen innern in bestimmter Richtung beharrlich abweichenden Bildungs-Triebes entwickeln, sondern dadurch, dass von ganz zufälligen in allen möglichen Richtungen auseinanderlaufenden unmerkbar kleinen Abänderungen diejenigen, welche dem Organismus nützlich sind, am meisten Aussicht haben, die übrigen zu überleben und sich reichlicher als sie fortzupflanzen; — da eine jede dieser in verschiedenen Richtungen auseinanderlaufenden kleinsten Abänderungen wieder in allen Richtungen um ein Minimum abändern kann, — da nach des Vfs. eigner Annahme nur in 4—8—10 Generationen wieder einmal eine genau in gleiche Richtung mit einer der vorigen fällt und sie steigert oder durch Häufung verstärkt; — da unter so unmerkbar kleinen Abänderungen noch keine ein merkbar grosses Übergewicht über die andern im Rassen-Kampfe haben kann: — so werden die Abarten nicht als solche nett und fertig sich von der Stammform wie ein gestieltes Dikotyledonen-Blatt vom Stengel, sondern etwa wie der unregelmässig krausse Lappen einer Blätterflechte von der übrigen Flechten-Masse ablösen, welcher sich auch im weitren Verlaufe nie zu einem scharf und regelmässig contourirten Blatt entwickelt, sondern stets seine unsichere Gestalt beibehält, indem, wie lang er endlich auch werden mag, er immer wieder in ähnlicher Weise wuchert. Und diese Unsicherheit der Begrenzung wird um so bedeutender werden, da die neuen Abarten nicht auf einzelnen Merkmalen, sondern auf 2—3—4 von den alten abweichenden Charakteren beruhen, deren aber jeder für sich allein auftreten oder sich in verschiedener Weise und in verschiedenen Graden mit jedem andern verbinden kann, und da nach des Vfs. eigener Theorie Varietäten unter sich vorzugsweise fruchtbar sind und kräftige Nachkommenschaft liefern. Es müssten Formen-Gewirre entstehen noch weit ärger, als wir sie z. Th. in Folge anderer Ursachen in der Pflanzen-Welt wirklich in einigen Fällen kennen, bei Rubus, Salix, Rosa, Saxifraga. So müssten sie, wenn auch nicht ausnahmslos, doch vorherrschend überall vorkommen, obwohl sie jetzt im Pflanzen-Reiche selbst nur als

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Entstehung der Arten. Stuttgart 1860, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Entstehung_der_Arten_1860_(Darwin)_503.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)