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Witz noch vor unsrer Begegnung zu erschöpfen, und wollte ihn doch, als Strahlenbündel verpackt, nach Larose mitnehmen, um in blendender Gloriole vor Ihnen, Holdseligste, dazustehen.



Herr von Beaumarchais an Delphine.
Paris, den 11. Oktober 1781.

Wer Larose mit Paris vertauscht, ist weit mehr ein Sträfling, als wer die Freiheit der Hauptstadt mit den Ketten der Bastille vertauschte. Ich sitze vor dem Schreibtisch, statt vor der schönsten Frau Frankreichs, ich schaue durch trübe Scheiben auf Häusermauern, statt durch grüne Blätter auf blauen Himmel, und – Schrecken aller Schrecken! – ich lese Figaros Streiche einem Haufen hirnloser Komödianten vor, statt der fine fleur der Pariser Gesellschaft. Noch klingt mir Ihr perlendes Lachen im Ohr, – als ein gellender Mißton drängt sich die Kritik hochmögender Kollegen dazwischen, die zwar nichts besser machen, aber alles besser wissen wollen.

Es gibt Leute unter ihnen – à la Demoines, der der Dubarry Tugendkränze flocht und Ludwig XVI. so lange versichert hat, daß er ein Genie ist, bis er es selber glaubt –, die angesichts meiner Komödie um die Sicherheit des Staats und um die guten Sitten der Pariser zittern. Ich tröste mich; denn noch haben alle, die ihre Feder zum Schwerte schliffen, den Vorwurf ertragen müssen, daß sie

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 288. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/294&oldid=- (Version vom 31.7.2018)