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Lucien Gaillard an Delphine.
Froberg, den 20. November.

Hochverehrte Frau Marquise, Euer Gnaden werden mir diesen ungewöhnlichen Schritt verzeihen. Ich kann nicht anders, da es mir unmöglich gemacht wird, bis in Ihr Zimmer vorzudringen.

Ehe die Frau Marquise auf Froberg einzogen, hat mich niemand in diesem Hause wie ein Mensch behandelt. Alles was an Empfindung in mir lebte, hatte sich darum nur zu einem Gefühl verdichtet: dem Haß. Euer Gnaden Güte und Teilnahme haben mich erst bemerken lassen, daß ich ein Herz in der Brust habe wie die gerade Gewachsenen. Jeder Schlag dieses Herzens gehört der Frau Marquise.

Daß ich einen Menschen leben sehen muß, der Euer Gnaden Leiden und Schmerzen verursacht, ist schon gräßlich genug. Aber daß dieser Mensch sich nicht scheut, Euer Gnaden im eigenen Hause zu demütigen und, – es muß gesagt werden –, zu betrügen, das ertrage ich nicht.

Madame Paumille, die für den jungen Herrn engagierte Amme, ist die Geliebte des Herrn Marquis, ihre Tochter die seine. Zum Beweis diene beiliegender Brief, den ich aus ihrem Schubfach entwendet habe.

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Lily Braun: Die Liebesbriefe der Marquise. München 1912, Seite 98. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Die_Liebesbriefe_der_Marquise_(Braun).djvu/104&oldid=- (Version vom 31.7.2018)