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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.

gemacht hatte. Und nicht bloß der Staatsanwaltschaft hatte er sich mißliebig gemacht. In zweiter Instanz verurteilte ihn die Strafkammer zu drei Monaten Gefängnis. Er war der erste einer ganzen Reihe von Personen, die erfahren mußten, wie gefährlich es sei, zu meinen Gunsten die Finger in das Räderwerk der Justizmaschine hineinzustecken.

Einige Tage nachdem ich verurteilt worden war, meldete sich in Baden-Baden eine Zeugin, ein älteres Fräulein, Inhaberin eines Ladengeschäfts, gänzlich unvorbestraft und von bestem Leumund, die an dem fraglichen Abend kurz nach 6 Uhr an der Stelle, wo die Bismarckstraße in die Allee einmündet, gesehen hatte, wie ein hochgewachsener Herr in dunklem Mantel die Bismarckstraße herabkam, unter einer Laterne stehen blieb, um nach der Uhr zu sehen, dann am Alleehaus eine Droschke anhielt und einstieg. Kurz darauf habe sie den Schuß fallen hören. Aufgefallen sei ihr im Scheine der Straßenlaterne das bleiche Gesicht des Herrn. Sie sei aber nie auf den Gedanken gekommen, denselben mit dem Mordprozeß in Verbindung zu bringen, da es in den Zeitungen immer geheißen habe, der Angeklagte sei am Kaiserin-Augusta-Denkmal in die Droschke eingestiegen. Übrigens habe sie ihre Wahrnehmung noch am gleichen Abend Verwandten erzählt.

Hier war nun eine Zeugin, deren Aussage zweifellos entscheidend ins Gewicht fiel. Wie verhielt sich die Behörde ihr gegenüber? Der Verteidiger beantragte natürlich, daß man durch Konfrontation feststelle, ob ich der fragliche Herr gewesen sei. Aber das war offenbar ein gefährliches Experiment. Denn wie, wenn die Zeugin erklärte, sie erkenne mich wieder? Und dann war ja auch eine solche Konfrontation nach der Ansicht der Staatsanwaltschaft ganz überflüssig, da von vornherein feststand, daß ich der Herr nicht gewesen sein konnte; ich habe ja doch an den Lindenstaffeln den Mord verübt und war dann durch die Gärten des Hotels Meßmer nach dem Bahnhof geflüchtet – den Kutscher Braun hatte der Staatsanwalt inzwischen

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Carl Hau: Das Todesurteil. Die Geschichte meines Prozesses.. Ullstein, Berlin 1925, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Das_Todesurteil_(Hau).djvu/132&oldid=- (Version vom 31.7.2018)