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unter eine Glasglocke gebracht, die Stiele in Wasser, und auf der Rückseite Tropfen von Zuckerlösung, aber ohne irgend welches Fleisch. Bei zweien dieser Blätter waren nach Verlauf eines Tages einige wenige Tentakeln rückwärts gebogen. Die Tropfen hatten nun beträchtlich an Grösze zugenommen, da sie Feuchtigkeit eingesaugt hatten, und zwar so, dasz sie die Rückseite der Tentakeln und Stiele hinab tröpfelten. Am zweiten Tage war bei einem Blatte die Scheibe bedeutend zurückgeschlagen: am dritten Tage waren die Tentakeln von zweien, ebenso wie die Scheiben aller vier, in einem bedeutenderen oder minderen Grade zurückgeschlagen. Die obere Seite des einen Blattes bot nun, anstatt wie zuerst unbedeutend concav zu sein, eine starke Convexität nach aufwärts dar. Selbst am fünften Tage schienen die Blätter nicht todt zu sein. Da nun Zucker die Drosera nicht im Mindesten reizt, so können wir das Zurückschlagen der Scheiben und Tentakeln der obigen Blätter getrost der Exosmose aus den Zellen, welche mit der Zuckerlösung in Berührung waren, und der in Folge derselben eintretenden Contraction derselben zuschreiben. Wenn Tropfen einer dicken Zuckerlösung auf die Blätter von Pflanzen gebracht werden, deren Wurzeln sich noch immer in feuchter Erde befinden, so erfolgt keine Einbiegung; denn ohne Zweifel pumpen die Wurzeln Wasser so geschwind hinauf, als es durch Exosmose verloren wird. Wenn aber abgeschnittene Blätter in Syrup oder irgend eine andere dichte Flüssigkeit eingetaucht werden, so werden die Tentakeln bedeutend, wenn schon unregelmäszig, eingebogen, wobei einige die Form von Korkziehern annehmen; auch werden die Blätter bald welk. Wenn sie nun in eine Flüssigkeit von niedrigem specifischem Gewicht eingetaucht werden, so strecken sich die Tentakeln wieder aus. Aus diesen Thatsachen können wir schlieszen, dasz auf die Rückseite von Blättern gebrachte Tropfen dichter Zuckerlösung nicht dadurch wirken, dasz sie einen motorischen Impuls anregen, welcher den Tentakeln übermittelt wird, sondern dadurch, dasz sie durch Herbeiführung von Exosmose das Zurückschlagen verursachen. Dr. Nitschke benutzte das Secret dazu, Insecten an die Rückseite von Blättern zu kleben; und ich vermuthe, er brauchte eine grosze Quantität, welche, da sie dicht war, Exosmose verursachte. Vielleicht experimentirte er auch mit abgeschnittenen Blättern oder an Pflanzen, deren Wurzeln nicht genügend mit Wasser versehen wurden.

Soweit daher unsere gegenwärtige Kenntnis reicht, können wir

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_211.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)