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Sie wurden dann mit Stückchen Fleisch probirt und waren bald dicht eingebogen. Ich wiederholte denselben Versuch mit etwas, von Dr. Moore frisch präparirten Harnstoff an vier Blättern; nach zwei Tagen war keine Einbiegung vorhanden; ich gab ihnen dann eine andere Dose, aber noch immer erfolgte keine Einbiegung. Diese Blätter wurden später mit gleich groszen Tropfen eines Aufgusses von rohem Fleisch probirt, und in 6 Stunden war beträchtliche Einbiegung eingetreten, welche in 24 Stunden excessiv wurde. Der Harnstoff war aber dem Anscheine nach nicht völlig rein; denn als vier Blätter in 2 Drachmen (7,1 Cub. Cent.) der Lösung eingetaucht wurden, so dasz sämmtliche Drüsen, anstatt blosz die auf der Scheibe, in den Stand gesetzt wurden, irgendwelche kleine Menge eines verunreinigenden Zusatzes in der Lösung zu absorbiren, trat in 24 Stunden beträchtliche Einbiegung ein, sicherlich mehr, als einer ähnlichen Eintauchung in reines Wasser gefolgt wäre. Dasz der Harnstoff, welcher nicht vollkommen weisz war, eine Quantität von albuminoider Substanz oder von irgend einem Ammoniaksalz enthalten haben solle, hinreichend grosz, um die eben geschilderte Wirkung hervorzubringen, ist durchaus nicht überraschend; denn, wie wir im nächsten Capitel sehen werden, sind erstaunlich kleine Dosen von Ammoniak in hohem Grade wirksam. Wir können daher schlieszen, dasz der Harnstoff selbst für die Drosera nicht reizend oder nahrhaft sei; auch wird er vom Secrete nicht modificirt, so dasz er nahrhaft gemacht würde; denn, wäre dies der Fall gewesen, so würden zuverlässig sämmtliche Blätter, auf deren Scheiben Tropfen lagen, ordentlich eingebogen worden sein. Dr. Lauder Brunton theilt mir mit, dasz nach Versuchen, die er auf meine Bitte in St. Bartholomew's Hospital angestellt hat, allem Anscheine nach künstlicher Magensaft, d. h. Pepsin mit Salzsäure, auf den Harnstoff nicht wirkt.

Chitin. – Die Chitinhüllen der auf natürlichem Wege von den Blättern gefangenen Insecten scheinen nicht im mindesten corrodirt zu werden. Kleine viereckige Stückchen des zarten Flügels und der Flügeldecke eines Staphylinus wurden auf einige Blätter gelegt, und nachdem diese sich wieder ausgebreitet hatten, wurden die Stücke sorgfältig untersucht. Ihre Kanten waren so scharf wie je und sie waren auch im Ansehen von dem andern Flügel und der andern Flügeldecke desselben Insects, welches in Wasser liegen gelassen worden war, nicht verschieden. Die Flügeldecke hatte indesz offenbar etwas nährbare Substanz abgegeben, denn das Blatt blieb vier Tage lang über ihm geschlossen, während die Blätter mit Stückchen echten Flügels sich am zweiten Tage wieder ausbreiteten. Ein Jeder, der nur die Excremente insectenfressender Thiere untersuchen will, wird sehen, wie machtlos ihr Magensaft in Bezug auf das Chitin ist.

Cellulose. – Ich erhielt diese Substanz nicht in getrenntem Zustande, sondern machte die Versuche mit eckigen Stückchen trocknen Holzes, mit Kork, Sphagnum-Moos, leinenen und baumwollenen Fäden. Keiner dieser Körper wurde von dem Secrete im Mindesten angegriffen und sie bewirkten nur jenen mäszigen Grad der Einbiegung, welcher allen unorganischen Gegenständen eigen ist. Schieszbaumwolle, welche aus Cellulose besteht, bei welcher der Wasserstoff durch Stickstoff vertreten ist, wurde mit dem nämlichen Erfolge probirt. Wir haben

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Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_110.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)