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kleinen Tröpfchen der Abkochung am Kopfe einer kleinen Stecknadel, und in wenig Minuten waren die Tentakeln eingebogen. Da sich die Flüssigkeit als so kräftig herausstellte, wurde ein Theil mit drei Theilen Wasser verdünnt, und hiervon Tropfen auf die Scheiben von fünf Blättern gebracht; die Wirkung auf dieselben war am nächsten Morgen so stark, dasz ihre Scheiben vollständig übereinander gefaltet waren. Wir sehen hieraus, dasz eine Abkochung von Kohlblättern nahezu oder völlig so wirksam ist, wie ein Aufgusz von rohem Fleisch.

Ungefähr die gleiche Quantität klein geschnittener Kohlblätter und destillirten Wassers wie im letzt erwähnten Experiment wurden 20 Stunden lang in einem sehr warmen Raum gehalten, aber nicht bis nahe an den Siedepunkt erhitzt. Tropfen dieses Aufgusses wurden auf vier Blätter gebracht. Eines derselben war nach 23 Stunden stark eingebogen, ein zweites unbedeutend; bei einem dritten waren nur die dem Rande näher stehenden Tentakeln eingebogen, und das vierte war durchaus gar nicht afficirt. Die Kraft dieses Aufgusses ist daher sehr viel geringer als die der Abkochung, und es ist ganz klar, dasz das Eintauchen der Kohlblätter für eine Stunde in Wasser auf der Temperatur des Siedepunkts viel wirksamer ist, die Substanz, welche Drosera reizt, auszuziehen, als eine viele Stunden lang dauernde Eintauchung in warmes Wasser. Vielleicht wird der Zelleninhalt (wie Schiff in Bezug auf das Legumin bemerkt) dadurch geschützt, dasz die Wände aus Cellulose bestehn und dasz, bis diese durch kochendes Wasser zum Bersten gebracht sind, nur wenig von der eingeschlossenen eiweiszartigen Substanz aufgelöst wird. Aus dem starken Geruch gekochter Kohlblätter erkennen wir, dasz kochendes Wasser eine chemische Veränderung in ihnen hervorbringt und dasz sie dadurch bei weitem verdaulicher und nahrhafter für den Menschen gemacht werden. Es ist daher eine interessante Thatsache, dasz Wasser auf dieser Temperatur eine Substanz aus ihnen auszieht, welche Drosera in einem auszerordentlichen Grade reizt.

Gräser enthalten bei weitem weniger stickstoffhaltige Substanz als Erbsen oder Kohlsorten. Die Blätter und Stengel dreier gemeiner Arten wurden klein geschnitten und eine Zeit lang in destillirtem Wasser gekocht. Nachdem diese Abkochung 24 Stunden stehen gelassen worden war, wurden Tropfen davon auf sechs Blätter gebracht; sie wirkten in einer ziemlich eigenthümlichen Art und Weise, von welcher im siebenten Capitel bei Besprechung der Ammoniaksalze noch weitere Beispiele angeführt werden. Nach 2 Stunden und 30 Minuten waren bei vier von den sechs Blättern die Scheiben bedeutend eingebogen, aber nicht die äuszeren Tentakeln; nach 24 Stunden war dasselbe bei allen sechs Blättern der Fall. Zwei Tage später waren die Blattscheiben ebenso wie die wenigen dem Rande näher stehenden Tentakeln, welche eingebogen worden waren, sämmtlich wieder ausgebreitet; auch war um diese Zeit ein groszer Theil der Flüssigkeit auf ihren Scheiben absorbirt. Augenscheinlich reizt daher die Abkochung die Drüsen auf der Scheibe stark und verursacht eine schnelle und bedeutende Einbiegung der Scheibe; aber verschieden von dem, was gewöhnlich eintritt, verbreitet sich der Reiz gar nicht oder nur in einem schwachen Grade auf die äuszeren Tentakeln.

Ich will hier noch hinzufügen, dasz ein Theil Belladonna-Extract

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Insectenfressende Pflanzen. Stuttgart 1876, Seite 74. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Darwin_Insectenfressende_Pflanzen_074.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)