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Küsse – denn um diese handelt es sich – als im Charakter der Zeit und vieler der damaligen Ordensbrüder zu, dann wird man sich auch gegen die Annahme nicht sträuben können, dass ein übereifriger Inquirent die Vorschrift der Regel, dass der Recipiend sich zur Duldung aller „duretés – qui li sauront mostrer“ verpflichten muss, mit diesem Brauche in Verbindung brachte und eben in ihm eine der Härten fand, welche zu ertragen die Regel den Templern zur Pflicht machte. Diese einfache Schlussfolgerung wird durch Gmelin’s sittlich entrüsteten Ausruf: „Was sollen wir nun dazu sagen? Unglaublich!“ nicht widerlegt. Und wenn sie dadurch nicht widerlegt wird, so wird es auch erlaubt sein, zu vermuthen, dass die Templer dieses Schlages, als sie jene nun so verfänglich erscheinende Bestimmung in der bisher nicht gekannten Regel vorfanden, dieselbe aus dem ihnen zugänglichen Exemplar entfernten. Diese Annahme ist wohl weniger gewagt als die jedes Anhalts entbehrende Vermuthung Gmelin’s S. 118, dass die päpstliche Bestätigung der Regel, die bekanntlich nicht vorliegt, unter Clemens V. durch die Curie aus dem Wege geschafft sei, da diese wünschen musste, ein so beschämendes Denkmal für alle Zeit beseitigt zu sehen.

Während ich dem Provençalischen Theil des Ordens einen besonderen Einfluss zugesprochen habe, sucht Gmelin S. 82 ff. darzuthun, dass im Gegentheil der Nordfranzösische der tonangebende gewesen sei. Die Statistik aber, die er dazu aufmacht, beruht auf einem zu unvollständigen Material, um für ihre Ergebnisse irgend welche Sicherheit beanspruchen zu können. Auch zieht Gmelin eben diesen Punkt späterhin wieder in Zweifel, und S. 442 betont er, „dass in diesen Gegenden der Orden allerdings nicht gering an Zahl und Besitz gewesen sein könne“ – S. 472 nennt er die Provence (wegen des Albigenserthums) gar „gerade den gefährlichsten Theil Frankreichs“. Er hebt hervor, dass die Aragonischen Templer den Grafen von Toulouse gegen Simon von Montfort Hilfe geleistet haben und dass die Erinnerung daran noch in späterer Zeit mächtig genug gewesen, um bei dem Provençalischen Adel den Gedanken an den Abfall zu Aragonien aufsteigen zu lassen. Sollten dann aber die Provençalischen Templer ihren Aragonischen Brüdern entgegen zu Montfort und nicht vielmehr ebenfalls zu dem Toulouser Ketzerbeschützer

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1894, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1894_11_262.jpg&oldid=- (Version vom 13.5.2023)