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für Neuzeit. Dabei ist auf den Einschnitt zwischen Unter- und Obersecunda, der durch das Berechtigungswesen veranlasst ist, also gar keine Rücksicht genommen. Es drängt offenbar alles darauf hin, die Rücksichtnahme auf das Einjährigfreiwilligenthum inmitten eines auf den Abschluss mit der Prima berechneten Unterrichtes, diesen Krebsschaden unseres höheren Schulwesens, allgemein zu beseitigen und zu sagen: keinerlei Berechtigung ohne völlige Absolvirung einer Schule. – Den Abschluss mit Untersecunda wollte Dir. Martens freilich aus pädagogischen Gründen aufrechterhalten.

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Sehr lebhaft kam in der Versammlung die Ansicht zum Ausdruck, dass mit der Ueberbürdung, wenigstens der Ueberbürdung des Gedächtnisses, sehr viel Schwindel getrieben sei. Klang diese Anschauung schon in den Thesen Prof. Dove’s leise an, indem er umfassendes Wissen forderte, und hatte Prof. Kaufmann sie in die Forderung einer bestimmten Anzahl von Daten, die auswendig zu lernen seien, umgesetzt (c. 150 aus der alten Geschichte, reichlich doppelt so viele aus Mittelalter und Neuzeit), so trat sie mit weit kräftigeren Accenten in den Reden von Prof. Prutz, Prof. Kropatscheck und Anderen hervor. Auf die ungläubige Heiterkeit der Versammlung stiess ein von Prof. Prutz erwähnter Preussischer Ministerialerlass, der das Repetiren und besonders das Repetiren in alter Geschichte bei Disciplinarstrafe verbietet. Es überwog offenbar die Auffassung, dass die Kenntniss der einzelnen Thatsachen neben den allgemeinen Ideen und der Erziehung ihren Platz behaupten müsse. – Gewiss würde man daneben auch anerkannt haben, dass vielfach mit dem Auswendiglernen viel zu weit gegangen wird. Bei besonderer Erörterung des Punktes wäre diese Ansicht, die in diesem Jahre nicht recht zum Wort kam, sicher sehr entschieden vertreten worden.

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In einem besonderen Satze seiner Thesen bekämpfte Prof. Dove die Versuche, im Schulunterricht neben der positiven lebendigen Darstellung auch Hinweise auf kritische Quellenbenutzung zu geben, und unter dem lebhaften Beifall der Versammlung wandte er sich gegen Quellenbücher und „Quellenschnüffelei“. Dass in dieser Zeitschrift eine andere Auffassung vertreten ist, wird den Lesern bekannt sein. In der Versammlung kam sie nicht mehr zum Wort.

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Der regressiven Methode, die, mit der neuesten Geschichte beginnend, rückwärts gehen will, wurde nur als einer „Herausforderung der historischen Wissenschaft“ gedacht. Eine Resolution, die sie ausdrücklich verurtheilen sollte, wurde von Prof. Böhtlingk eingebracht, eine andere desselben Inhalts von Prof. Egelhaaf, beide aber kamen wie alle anderen nicht mehr zur Abstimmung.

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Einige Fragen betrafen dann noch die Ausbildung und Stellung der Lehrer.

Dass der Geschichtsunterricht in den oberen Classen von geschulten Historikern ertheilt wird, ist ja in Preussen jetzt meist durchgeführt, ist aber in einigen anderen Staaten, so in Baiern und Hessen, noch ein pium desiderium. Für diese Forderung trat mit besonderem Nachdruck Prof. Vogt (aus Augsburg) auf, und Prof. Egelhaaf berücksichtigte dieselbe ebenfalls in einer von ihm beantragten These. Dass die Versammlung

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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 164. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_164.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)