Seite:De DZfG 1893 09 160.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

Empfindung, die auch Andere in der Versammlung beherrschte, einen „Vermittlungsantrag“ vor sich zu haben, und dann durch den Umstand, dass der an Martens’ Auffassung etwas anklingende Schluss der Kaufmann’schen Thesen (mit der Betonung von Vaterlandsliebe und Pflichtbewusstsein gegen den Staat) hier durch die gedrängtere Fassung in unmittelbare Verbindung mit den principiellen Sätzen gebracht war und dadurch erheblich stärker hervortrat.

[17

Genug, Dir. Martens zog seine Thesen zurück zu Gunsten eines Antrages, der die Grundanschauungen eines Theiles seiner entschiedenen Gegner getreu wiedergab, der dadurch aber nun erst recht als eine „Concordienformel“ erschien, obschon der Antragsteller Prof. Stieve diese Auffassung ausdrücklich abgelehnt hatte. Dieser Verwischung der Gegensätze wurde aber durch die Forderung entgegengetreten, dass der Schluss der Kaufmann’schen 2. These und ebenso der Schluss des Antrages Stieve, der die Annäherung an die Martens’sche Auffassung enthielt, und deshalb den Schein einer Vermittlung rechtfertigen konnte, getrennt zur Abstimmung gebracht werde.

[18

Ueber die Martens’schen Thesen, die zurückgezogen wurden, ist überhaupt nicht abgestimmt worden; es lag aber nach den vorausgegangenen Debatten auf der Hand, dass sie gegen ganz wenige Stimmen abgelehnt sein würden. Zuerst kamen nun die Thesen Prof. Dove’s, dann die Prof. Kaufmann’s zur Abstimmung. Bei Anwesenheit von etwa 70 Theilnehmern erhielten die Thesen Prof. Dove’s 25, die Prof. Kaufmann’s, von denen aber eventuell der Schluss noch separat hätte zur Abstimmung kommen müssen, 27 Stimmen. Es blieb die These Prof. Stieve’s. In ihren Hauptsätzen bis zu dem Worte „entwickeln“ wurde sie mit 53 gegen 8–10 Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen, der noch ein wenig veränderte Schluss aber „insbesondere hat er auch die Liebe zum Vaterland und ein strenges Pflichtbewusstsein gegen den Staat zu erwecken“ wurde mit 38 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Einige wenige enthielten sich der Abstimmung. Die angenommene These lautet also wie folgt: Der Geschichtsunterricht kann und soll nicht in der Weise als Vorbereitung zur Theilnahme an den Aufgaben des öffentlichen Lebens dienen, dass er in systematischer oder auf eine bestimmte Gesinnung hinzielender Weise auf dasselbe vorbereitet, er hat vielmehr zu dem fraglichen Zwecke lediglich diejenigen geschichtlichen Kenntnisse zu übermitteln, welche zur späteren Theilnahme am öffentlichen Leben befähigen und die Neigung zu dieser Theilnahme entwickeln.

[19

Im Grunde genommen hat die Versammlung sich damit auf den Standpunkt des ersten Correferenten, Prof. Dove, gestellt, nur dass bei der Zusammendrängung der Gedanken in einen einzigen Satz der historische Sinn, den Dove neben den historischen Kenntnissen betonte, ganz über Bord gefallen ist, wohl ohne dass dieser Ausscheidung irgend eine Absicht zu Grunde lag. Mag man diese Vernachlässigung des „historischen Sinnes“ nun auch bedauern und den Dove’schen Thesen den Vorzug geben, so weist doch der zu Stande gekommene Beschluss mit der vollen wünschenswerten Deutlichkeit jede Tendenz und jede Ausbeutung des Geschichtsunterrichtes

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1893, Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1893_09_160.jpg&oldid=- (Version vom 22.3.2023)