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erscheine nämlich äusserst nothwendig, da jede directe Thätigkeit des Hofes bei der Nation Verdacht errege, und schon der Name „Hofpartei“ dazu geführt habe, verschiedene „unabhängige“ Patrioten den königlichen Interessen abtrünnig zu machen. Um so mehr erfordere daher die aufrichtige Freundschaft der Russischen Kaiserin, den Schwedischen Majestäten von jeder Einmischung in das Parteigetriebe und von jeglichem Misstrauen gegen die Absichten der „wahren und wohlgesinnten Patrioten“ abzurathen. Letztere, so hiess es schliesslich, solle Osterman „nicht nur durch Rathschläge, sondern auch durch Geld“ auf alle Weise unterstützen und zu einer besonderen, mächtigen Partei vereinigen, deren Führung dem Grafen Löwenhjelm, als dem „klügsten und am meisten erfahrenen“ der „Patrioten“, übertragen werden solle und mit deren Beistand er sich bemühen müsse, „den Uebermuth der Hofpartei, besonders ihres Chefs, des Obersten Sinklaire, zu zügeln“, den Geheimen Ausschuss mit „redlichen und erfahrenen Männern“ zu besetzen und so dem Französischen System in Schweden den Todesstoss zu versetzen[1].

Wenn wir uns den Charakter und die Bestrebungen Ulrikens vergegenwärtigen, so werden wir es verstehen können, dass die

  1. Diese Instruction vom 29. November/10. December 1764 (ausgefertigt am 9./20. December) [Russ.] findet sich abgedr. in: Sbornik LVII, 126–32, auszüglich bei Solowjew XXVI, 98–100. – Wenn Malmström V, 268 sagt, dass diese Instruction „dem Englischen Cabinet mitgetheilt wurde“, so erscheint mir dies nicht zutreffend. Denn das Rescript Panin’s an Gross vom 13./24. November ([Russ.], Sbornik LVII, 90–93), welches zur Kenntniss des Londoner Ministeriums gelangen sollte, enthält nur einen, theilweise sogar abweichenden Auszug aus der einige Wochen später an Osterman übersandten Instruction. Viel schärfer ist in der Depesche an Gross die Stellung des Petersburger Hofes zu Ulrike präcisirt. Es heisst (S. 91): „Da das Temperament Ihrer Majestät der Königin und Ihre bekannten Projecte zur Erlangung der Souveränität – – – mit Recht befürchten lassen, dass diese Fürstin – – – alle Ihre Kräfte und die Ihrer Anhänger zur Erweiterung der königlichen Gewalt über die festgestellten Grenzen der Regierungsform hinaus verwenden wird“, so solle Osterman zwar für den Vortheil des Hofes wirken, „aber unabhängig von der Königin und zusammen mit den aufrichtigen Schwedischen Patrioten, welche weder eine Vergrösserung noch Verringerung der Königsgewalt über jene Grenzen hinaus wünschen und desshalb den Hof und seine Partei gewissermassen im Zaume halten wollen“.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1891, Seite 330. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1891_05_330.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)