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Zeugniss, welches uns gleichzeitige Berichte über die auf Husens Tod folgende Entfesselung der Böhmischen Reformbewegung liefern und welches wenigstens in zwei Punkten die Einwirkung des Waldenserthums auf jene Bewegung unseres Erachtens mit Bestimmtheit erkennen lässt. Bezüglich der Lehre vom Fegfeuer heisst es in dem Briefe des Prager Magisters Christian von Prachatic an Wenzel Koranda vom Jahre 1416, dass dessen Gesinnungsgenossen die Existenz des Fegfeuers leugneten; derselbe bestimmte Vorwurf wird in dem Ausschreiben der Prager Magister vom Jahre 1417 gegen die Husitischen Extremen und von Lorenz von Brezowa zum Jahre 1420, sowie von Cardinal Julian Cesarini im Jahre 1433 gegen die Taboriten erhoben[1]. Dass jene Anklage nicht auf einem Missverständnisse der Taboritischen Anschauungen beruhte, zeigt die Thatsache, dass auch Peter von Cheltschic und die Böhmischen Brüder sich zu der absoluten Verwerfung des Fegfeuers als eines Mittelzustandes zwischen Himmel und Hölle bekannten[2]. Diese vollständige Ablehnung des Fegfeuers gehört nun aber zu den Grundlehren des Waldenserthums, während Wiclif nirgends die Existenz des Fegfeuers, sondern nur die über dasselbe vorgetragenen kirchlichen Vorstellungen bekämpft[3]. Gleichfalls auf Waldensische Beeinflussung

    des radicalen Husitenthums ist die Thatsache nicht ausser Acht zu lassen, dass die Taboritenpartei sich damals schon in der Defensive gegenüber den conservativen Parteien befand und der Gefahr, mit Wiclif’s Schriften, die auch für ihre Gegner bis zu einem gewissen Punkte Autorität waren, in Widerspruch zu gerathen, sich in keinem Falle aussetzen durfte.

  1. Palacky, Documenta mag. Joaanis Hus vitam – – – illustrantia S. 634. 655; Höfler, Fontes II, 392; Monumenta concil. general. saec. XV. T. I, 274.
  2. Goll, Quellen u. Untersuchungen zur Gesch. der Böhm. Brüder II, 87; Czerwenka, Gesch. der evangel. Kirche in Böhmen II, 110 f.
  3. Ueber Wiclif’s Lehre vom Fegfeuer vgl. Loserth, Gött. Anzeigen S. 498 f. und die dort angeführten Stellen aus Wiclif’s Schriften. Ich führe ferner aus Wiclif’s Sermonen (ed. Loserth) an die Stelle in Pars I, Sermo 53 (Loserth I, 353): „anime enim plene purgate a peccatorum reli- quiis statim advolant, anime autem in purgatorio sunt sine suo corpore premiande“. Vgl. Wiclif, Sermones ed. Loserth II, 389: „si enim amore recto finaliter in deum tenderit, erit salvus, si autem amore obliquo refractus fuerit finaliter a creatura, oportet eum ab illis angulis in purgatorio expurgari“. De nova praevaricantia mandatorum c. 3 (polemical works in Latin, ed. Buddensieg S. 125): „[cristianus] potest faciliter intellectum et affectum, qui fuerunt in viatore pro statu innocencie supra illum statum erigere. et
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 390. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_390.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)