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1195 trugen zu König Richard’s Lösegeld für Kaiser Heinrich VI. 360 Juden 3333 £ bei, davon 31 Londoner 478 £. Vf. stellt annalenartig die äusseren Ereignisse der Juden zusammen – es sind Metzeleien und Besteuerungen – und bemerkt Einiges über ihr inneres Leben. Die drei „Episcopi“ waren Dajanim, Richter, die einmal beim König einkommen, durch ihren Bann die Beisteuer zur Erhaltung des Kirchhofs erzwingen zu dürfen. Mehrere der literarisch thätig Gewesenen gehören Einer Familie an; Historisches ist unter diesen Werken nicht. Einige der Vertriebenen sind 1294 in der Pariser Juiverie nachweisbar.

Luc. Wolf, The Middle age[1] of Anglo-Jewish hist. (1290 bis 1656), p. 53–80. Vf. nimmt hier nicht mehr den Glauben, sondern z. Th. den Stamm zum Merkmal des Juden: die Domus conversorum [s. o. S. 197] beherbergte 1308 noch 51, 1332 22, 1345 nur 11, später gewöhnlich 5 Personen. Dass Juden 1290 in England als Pseudochristen blieben oder nach Schottland flohen, ist nicht sicher. 1310 erbaten sechs Juden, darunter ein Arzt, Ansiedlungserlaubniss; 1376. 1498 s. o. S. 197; 1410 ward dem Elias Sabot aus Bologna erlaubt, in England die Heilkunst zu üben; vielleicht war David de Nigarellis von Lucca, Heinrich’s IV. Leibarzt 1412, ein Jude. Für Kryptojuden auf Englischen Märkten im 15. Jh. bringt Vf. nicht den Schatten eines Beweises. Dagegen sollen von den 1492 vertriebenen Spaniern viele [?] in London, York und Dover Synagogen gebaut und blühenden Handel getrieben haben.

Walter Rye[2], The persecutions of the Jews in England p. 136 bis 169 urtheilt über die wirthschaftliche Bedeutung der ma. Juden überaus günstig, die Vertreibung sei ein grober Fehler der Handelspolitik gewesen. [Allein eine tiefere Erklärung ist nicht versucht; Vf. scheint mir gegen Staat und Kirche ungerecht: beide traten der Mord- und Raublust des Pöbels und niederen Adels entgegen; wenn die Regierung Geld erpresste, so lag das an der Unvollkommenheit der Finanz, wenn der Klerus die Religion der Juden anfocht, an damals allgemeiner Verwechselung von Glauben und Wissen: Edward I. und Peckham erfüllen mit der Vertreibung was die Besten ihrer Zeit für Pflicht hielten. Ein sittlicher Makel trifft weder sie, noch, soviel ich sehe, die verblendeten Blutrichter.] Für Ermordung

  1. Der Name leitet irre: Vereinzelte Fremde machen keine Geschichte, und Mittelalter erweckt die falsche Vorstellung, als gäbe es zwischen den 1290 Vertriebenen und den 1656 Eingewanderten innere Verbindung; ausserdem bildet die Anglo-Jüd. Gesch. ein nicht einmal wichtiges Glied der allgemein Jüdischen, darf also ihr Mittelalter nicht mehrere Jahrhunderte später als diese beginnen. Die Zeit 1070–1290 heisst in diesem Kreise Pre-Expulsion period (also nach ihrem Untergang!); warum nicht Anglo-Norman?
  2. Derselbe bringt in *Norfolk antiq. miscell. I, 312 die Geschichte des Kindes [eines getauften Juden] Odard, das die Juden in Norwich 1230 beschnitten haben sollten, mit den für diesen Process zuerst erhaltenen Urkunden.
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Verschiedene: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft. Freiburg i. Br.: Akademische Verlagsbuchhandlung von J. C. B. Mohr, 1890, Seite 199. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_DZfG_1890_03_199.jpg&oldid=- (Version vom 4.1.2023)