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von alten Thieren liefert oft nur 1 bis 2 Procent, das junger Thiere bis 14 Procent.

Der Fleischauszug, nach dem Aufkochen von Blutfarbstoff und Fleischalbumin befreit, besitzt den aromatischen Geschmack und alle Eigenschaften der durch Kochen des Fleisches bereiteten Fleischbrühe. Beim Abdampfen, selbst in gelinder Wärme, färbt er sich dunkel, zuletzt braun und nimmt einen Bratengeschmack an; zur Trockene gebracht bleiben 12 bis 13 Procent des Fleisches (trocken gedacht) einer braunen etwas weichen Masse, welche in kaltem Wasser leicht löslich ist, und in etwa 32 Theilen heissem Wasser gelöst, nach dem Zusatz von etwas Kochsalz, diesem Wasser den Geschmack und alle Eigenthümlichkeiten einer vortrefflichen Fleischbrühe wiedergiebt. Die Intensität des Geschmacks des trockenen Fleischextracts ist sehr gross; kein Hülfsmittel der Küche ist demselben vergleichbar an würzender Kraft.

Der mit kaltem Wasser erschöpfte Fleischrückstand von verschiedenen Thieren ist von gleicher Beschaffenheit, so dass es nicht möglich ist in diesem Zustande das Ochsenfleisch vom Vogelfleisch oder von Reh, Schwein etc. zu unterscheiden.

Die Fleischbrühe hingegen von dem Fleisch verschiedener Thiere besitzt neben dem allgemeinen Geschmack, indem sich alle Fleischbrühen gleichen, noch einen besonderen Geschmack, welcher deutlich an den Geruch oder Geschmack des gebratenen Fleisches dieser Thiere erinnert, so dass, wenn dem gekochten Fleisch vom Reh die concentrirte Fleischflüssigkeit vom Ochsenfleisch oder Hühnerfleisch zugesetzt wird, es von gebratenem Ochsenfleisch oder Hühnerfleisch am Geschmack nicht mehr zu unterscheiden ist.

Die Fleischfaser ist, wie aus diesem Verhalten sich ergiebt, im natürlichen Zustande getränkt und umgeben von einer albuminhaltigen Flüssigkeit, und es hängt die zarte Beschaffenheit des gekochten oder gebratenen Fleisches von der Menge des in ihrer Substanz gelagerten und gerinnenden Albumins ab, wodurch das Zusammenschrumpfen, das Hart- und Zähwerden der Fleischfaser gehindert wird. Das Fleisch ist blutig gar, wenn es bis auf die Temperatur des gerinnenden Albumins, auf 56° C., es ist vollkommen gar, wenn es bis auf 70 bis 74° erhitzt worden ist, bei welcher Temperatur der Blutfarbstoff gerinnt.

Es ergeben sich hieraus einige für die Zubereitung des Fleisches nicht unwichtige Beziehungen, welche ihres allgemeinen Interesses wegen der Erwähnung vielleicht nicht unwerth sind. Wird das zur Speise bestimmte Fleischstück in den Topf gethan, wenn das darin befindliche Wasser sich in starkem Aufwallen befindet, das Sieden einige Minuten unterhalten und der Topf sodann an einen warmen Ort gestellt, so dass die Temperatur des Wassers sich auf 70 bis 74° C erhält, so sind die Bedingungen vereinigt, um dem Fleischstück die zum Genusse geeignete Beschaffenheit zu ertheilen.

Beim Einbringen in das siedende Wasser coagulirt sogleich von der Oberfläche einwärts das Fleischalbumin und bildet eine Hülle, welche das Ausfliessen des Fleischsaftes und das Eindringen des Wassers in das Fleischstück nicht mehr gestattet. Das Fleisch bleibt saftig und so schmackhaft

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_283.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)