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daß gerade ihre Leiden ausnahmsweise groß seien, so groß, daß sie dadurch von einer gewissen Bedeutung würden. Und es ist doch alles bedeutungslos. Leiden scheint nur ausnahmsweise groß, wenn es gerade unser persönliches Leiden ist. Könnten wir den Begriff unseres Ichs erweitern und dadurch mehr Leiden umfassen, so würden uns diese neuen Qualen, die wir bisher kaum ahnten, auch wieder als ganz ausnahmsweise groß erscheinen.

Wenn einst in Millionen von Jahren die Erde tot und eisig durch die Weltenräume kreist, wer wird dann nach den kleinen Wesen fragen, die mal auf ihr an Hitzschlag starben!

Die Stadt ist ganz leer. Wir sind noch hier. Ich möchte auch gar nicht fort. Gerade hier in der furchtbaren Hitze glaube ich manchmal wirklich dort zu sein, wo all meine Gedanken sind. Hinter den hohen Pekinger Stadtmauern. Allein schon die Hitze dort in dieser Jahreszeit, ohne alles andere – welche Marter! Ich bilde mir ein, daran teilzunehmen, von hier aus mittragen zu helfen.

Wie schön wäre es doch, wenn man für andere tragen könnte, wenn man sagen könnte: »Ruh Du Dich jetzt aus, denn nun schieb ich die Schulter unter die Last.« Das Weh der Welt ist aber nicht wie ein Brot bestimmter Größe, je mehr davon essen sollen, desto kleiner müssen die Teile werden.

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Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/209&oldid=- (Version vom 31.7.2018)