Seite:De Briefe die ihn nicht erreichten Heyking Elisabeth von.djvu/107

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wenn ich krank bin, tue ich mir immer so schrecklich leid – ich möchte mich dann am liebsten selbst in die Arme nehmen können und mich trösten. Gute Gesundheit täuscht über so manches hinweg; wir fühlen uns allem gewachsen und sind daher mit uns selbst zufrieden, und sobald man das ist, ist ja alles gut. Wenn wir aber oft krank sind und die Rechnung zwischen Sollen und Können immer mit einem Defizit für uns schließt, dann erscheint die ganze Welt wie ein Exempel, das nie stimmt, wo es immer irgendwo hapert. Glauben Sie nun deshalb nicht, daß ich hier besonders einsam und vernachlässigt wäre; die kleine Ecke Welt, die im Gesichtskreis meines Sofaplatzes liegt, ist wahrscheinlich nicht schlimmer und langweiliger wie andere auch, und es besuchen mich eine ganze Anzahl Menschen. Am häufigsten kommt Madame Baltykoff, und gewöhnlich findet sich Anstruther zur selben Zeit ein. Diese unermüdliche Russin hat erstaunliche Vorräte an Wissensdurst; sie besieht sich New York von allen Seiten: Auswandererherbergen, Fifth Avenue-Feste, Schulen, Druckereien, Wall Street, Gefängnisse, Klöster – tout lui est bon. Kürzlich erzählte sie mir von einem Damenlunch, bei dem sie gewesen. Während nämlich die New Yorker Herren im Geschäft sind und Geld verdienen, vertreiben sich die

Empfohlene Zitierweise:
Elisabeth von Heyking: Briefe, die ihn nicht erreichten. Verlag von Gebrüder Paetel, Berlin 1903, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Briefe_die_ihn_nicht_erreichten_Heyking_Elisabeth_von.djvu/107&oldid=- (Version vom 31.7.2018)