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Da sprach der Bauer: „Du bist der Rechte. Sofort hole frische Kirschen!“ Kaum war das Wort ausgesprochen, so war der Geist verschwunden und an seiner Stelle stand ein Korb mit frischen Kirschen, die der Bauer nun seinen erstaunten Gästen brachte. Verwundert sahen die einander an und konnten sich dies Wunder nicht erklären; doch assen sie die Wunderkirschen auf, sie schmeckten ausgezeichnet. Der Kreuzbauer galt aber von da als Hexenmeister, und das brachte ihm noch den Tod. Das ging nun so zu.

Eines Tags, es war während der Heuernte, fragte ihn einer seiner Knechte: „Bauer, ich habe eine Bitte, es ist heute Markt in Neustadt, darf ich da hin gehn? Ich sollte mir etwas kaufen.“ Der Bauer erwiderte: „Wenn die große Wiese abgemäht hast, kannst gehn, vorher nicht.“ Da sprach der Knecht murrend: „Dann komme ich ja nicht fort, das ist nicht möglich, dass ich die Wiese abmähe in einem halben Tag, wo doch sonst Vier zwei Tage daran zu tun haben.“ Damit wollte er wieder an die Arbeit gehen, aber der Bauer rief ihn zurück und sprach: „Fange nur an zu mähen, darfst aber nicht rückwärts schauen und nie deine Sense schärfen, bis du von oben nach unten gemäht hast. Dann sieh zu, was noch steht. Wenn du aber rückwärts schaust, dann bist verloren.“ Der Knecht ging hin und mähte wie der Bauer gesagt. Als er nun unten ankam und sich umschaute, war die ganze Wiese gemäht. Wie es zugegangen, wusste er nicht. Von diesem Wunder ward überall gesprochen, es kam auch zu Ohren der Obrigkeit. Da ward der Bauer als Hexenmeister angeklagt und musste verbrannt werden. Vor seinem Tode aber sprach er: „Zum Zeichen, dass ich unschuldig verbrannt worden bin, soll bei meinem Haus ein großer Ahornbaum wachsen.“ Und so geschah es. Es wuchs ein mächtiger Ahorn, und seit der Zeit heißen die Höfe, die jetzt zu Schwärzenbach bei Neustadt gehören, Ahornhäuser.

Diese von befreundeter Hand nach der Erzählung eines alten Schwarzwälders für mich aufgezeichnete Sage ist zuerst in der volkstümlichen Ueberlieferungen gewogenen Freiburger Zeitung vom 12. April 1893 abgedruckt worden. Sie ist in mancher Beziehung merkwürdig. Wenn ich hier auch nicht die Absicht habe, alle ihre einzelnen Züge zu verfolgen, so will ich doch zeigen, aus welchen Hauptbestandteilen sie zusammengesetzt

Empfohlene Zitierweise:
Fridrich Pfaff (Hrsg.): Alemannia XXII. Hanstein, Bonn 1894, Seite 68. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XXII_076.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)