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die natürlichen Fähigkeiten, nicht auf Kenntnisse und angelernte Fertigkeiten. Drittens habe ich gesagt, das weibliche Talent schlechtweg sei die Anlage für Liebesangelegenheiten. Nun soll ich gesagt haben, die Weiber hätten sonst keine Talente. Da will ich denn nachtragen, dass es neben dem Haupttalente noch andere weibliche Talente giebt. Ich meine damit nicht das musikalische, das malerische oder irgend ein Kunsttalent. Wenn ein Weib von diesen eins hat, so hat sie eigentlich ein männliches Talent. Es scheint, dass man nur das schauspielerische und in gewissem Grade das poetische Talent als ursprüngliches Eigenthum beider Geschlechter betrachten dürfe. Ein weibliches Talent dagegen im strengen Sinne des Wortes ist das Schwatz-Talent, oder, wenn das unehrerbietig klingen sollte, das Gespräch-Talent. Das wurde mir recht klar, als ich neulich ein Buch über Rahel Levin, verehel. Varnhagen von Ense las[1]. Anfangs wurde es mir beim Lesen manchmal übel, dann aber interessirte mich die Frage, was ist’s eigentlich mit dieser Frau, und so habe ich das 460 Seiten enthaltende Buch bewältigt. Rahel war zweifellos eine gescheite und gutartige Frau. Sie war ehrlich, ernst, dachte gern und hatte eine Neigung zu philosophischen Betrachtungen. Das alles aber erklärt nicht die Rolle, die sie gespielt hat. Sie hat nichts hervorgebracht, sie konnte weder in Versen, noch in Prosa etwas Zusammenhängendes schreiben, über Briefe und Aphorismen kam sie nicht hinaus. Ihr Stil ist originell, reich an Willkürlichkeiten und Sprachfehlern. Neue Gedanken fehlen gänzlich. Alles, was sie sagt, findet man bei den zeitgenössischen Schriftstellern so und so oft, höchstens mag sie hie und da einem Gedanken eine neue Fassung gegeben haben. Dabei stösst die andauernde Selbstbespiegelung, das Reden in Superlativen über die eigene Person, die immer als einzig und unvergleichlich hingestellt wird, stark ab. Alles wird übertrieben, entsetzliches Leid und überschwengliches Glück wechseln. Goethe würde sie eine aufgespannte Person nennen. Trotz des Fehlens poetischer oder wissenschaftlicher Leistungen hat sich eine ganze Literatur über Rahel gebildet. Man muss zwar


  1. Rahel Varnhagen, ein Lebens- und Zeitbild von Otto Berdrow. Stuttgart 1900.
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Paul Julius Möbius: Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes. 5. veränderte Auflage. Marhold, Halle a. S. 1903, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_%C3%9Cber_den_physiologischen_Schwachsinn_des_Weibes_(M%C3%B6bius).djvu/62&oldid=- (Version vom 31.7.2018)