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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 10. 10. Januar 1828.

Amerika und Europa.
Nach Alex. v. Humboldt.

Das Festland von Amerika findet sich gegenwärtig unter drei Völker europäischen Ursprungs vertheilt, wovon das eine und mächstigste germanischen Stammes, die beiden andern aber durch Sprache, Literatur und Sitte dem romanischen Europa angehören. Die am meisten gegen Westen liegenden Theile der alten Welt, die iberische Halbinsel und Großbritannien, sind auch diejenigen, deren Kolonien sich am weitesten in der neuen Welt ausgedehnt haben; aber eine Küstenstrecke von viertausend Meilen, allein bewohnt von den Abkömmlingen der Spanier und Portugiesen, beweist das Uebergewicht, welches im 15. und 16. Jahrhundert die Völker der Halbinsel über alle andern seefahrenden Nationen erlangt hatten. Ihre von Californien bis zum Rio de la Plata, auf dem Rücken der Cordilleras und in den Wäldern des Amazonenstroms verbreiteten Sprachen sind die, alle politischen Revolutionen überdauernden, Denkmale ihres Nationalruhms.

In diesem Augenblicke bilden die Einwohner des spanischen Amerika’s eine zweimal größere Bevölkerung, als die des englischen Stammes. Die französischen, holländischen und dänischen transatlantischen Besitzungen sind von geringer Ausdehnung; um aber das Rundgemälde der Völker, die auf das Schicksal Amerika’s Einfluß üben, zu vollenden, dürfen wir weder die Kolonisten slavischen Ursprungs vergessen, welche sich von der Halbinsel Alaska bis nach Californien anzusiedeln versuchten, noch jene freien Neger Haity’s, durch welche die im J. 1545 gemachte Prophezeiung des italienischen Reisenden Benzoni erfüllt ist. Die Stellung dieser Afrikaner auf einer Insel, zwei ein halb mal so groß als Sicilien, mitten in dem Meere der Antillen, vermehrt noch ihre politische Wichtigkeit. Alle Freunde der Menschheit theilen die Wünsche für die Entwickelung einer Civilisation, welche, nach so vielen Scenen des entfesselten Grimmes und des Mords, unerwartet schnell vorwärts schreitet. Das russische Amerika gleicht bis jetzt weniger einer ackerbauenden Kolonie, als jenen Factoreien, welche die Europäer, zum Unglück der Eingebornen, an den Küsten Afrika’s gegründet haben. Es sind nur Militairposten und Stationen für Fischer und sibirische Jäger. Gewiß ist es eine interessante Erscheinung, den Ritus der griechischen Kirche in einem Theile Amerika’s gegründet, und zwei, den äußersten Osten und den äußersten Westen bewohnende Nationen als Nachbarn auf einem Kontinente zu erblicken, zu dem sie auf entgegengesetzten Wegen gelangten. Indessen bildet der beinahe völlig wilde Zustand der unbevölkerten Küsten von Ochotsk und Kamtschatka, der Mangel an Zufuhren von den Häfen Asiens, so wie das bis jetzt in diesen slavischen Kolonien angenommene Verwaltungssystem, Hindernisse, wodurch dieselben noch lange werden in der Kindheit gehalten werden.

Aus Allem diesen ergibt sich, daß wenn man, in der politischen Oekonomie, gewöhnt ist, nur die Massen im Ganzen in Betrachtung zu ziehen, das amerikanische Festland eigentlich nur unter drei großen Nationen, von englischem, spanischem und portugiesischem Stamme, vertheilt ist. Die erste dieser drei Nationen, die englisch-amerikanische, ist zugleich diejenige, welche, nach den Engländern Europa’s, mit ihrer Flagge den ausgebreitetsten Umfang des Meeres bedeckt. Ohne fernliegende Kolonien, hat ihr Handel eine Ausdehnung erhalten, wie kein Volk der alten Welt sie erreichen konnte, außer eben das, welches dem Norden Amerika’s seine Sprache, den Ruhm seiner Literatur, seinen Trieb zur Thätigkeit, seine Liebe für Freiheit und einen großen Theil seiner bürgerlichen Institutionen mitgetheilt hat.

Die englischen und portugiesischen Ansiedler bevölkerten bloß die Europa gegenüber liegenden Küstenländer; die Spanier hingegen überschritten gleich beim Beginn ihrer Eroberungen die Kette der Anden, und verbreiteten ihre Niederlassungen bis an die fernsten Gestade der Westküste. Nur hier, in Mexiko, Cudinamarca, Quito und Peru fanden sie die Spuren einer alten Civilisation, ackerbauende Völker, blühende Reiche. Dieser Umstand, die Zunahme einer eingebornen Gebirgsbevölkerung, der fast ausschließliche Besitz großen Metallreichthums, so wie die seit dem Anfang des 16. Jahrhunderts mit dem indischen Archipelagus angeknüpften Handelsverbindungen gaben den spanischen Besitzungen der amerikanischen Aequinoktialländer einen ihnen ganz eigenthümlichen Charakter. In den Ländern des Ostens, welche in die Gewalt der Engländer und Portugiesen fielen, bestanden die Eingebornen aus herumstreifenden Jägerstämmen. Weit entfernt, einen Theil der ackerbauenden und arbeitsamen Bevölkerung zu bilden, wie auf dem Plateau von Anahuac, in Guatimala und Oberperu, zogen sie sich vielmehr bei der Annäherung der Weißen stets weiter zurück. So geschah es denn, daß das Bedürfniß arbeitender Hände, der vermehrte Anbau des Zuckerrohrs, des Indigo’s und der Baumwolle, und endlich

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_044.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)