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früheren Capitel erläuterte Princip der Ökonomie, wonach die zur Bildung eines dem Besitzer nicht mehr nützlichen Theiles verwendeten Bildungsstoffe so weit als möglich erspart werden, kommt vielleicht beim Rudimentärwerden eines nutzlosen Theils mit ins Spiel. Dies Princip wird aber beinahe nothwendig auf die früheren Stadien des Reductionsprocesses beschränkt sein; denn wir können nicht annehmen, daß z. B. eine äußerst kleine Papille, welche in einer männlichen Blüthe das Pistill der weiblichen Blüthe repräsentirt und bloß aus Zellgewebe besteht, noch weiter reducirt oder absorbirt werden könne, um Nahrung zu ersparen.

Da endlich rudimentäre Organe, durch was für Stufen sie auch auf ihren jetzigen nutzlosen Zustand herabgebracht worden sein mögen, die Geschichte eines früheren Zustandes der Dinge erzählen und nur durch das Vererbungsvermögen beibehalten worden sind, so wird es aus dem Gesichtspunkte einer genealogischen Classification begreiflich, wie es komme, daß Systematiker beim Einordnen der Organismen an ihre richtigen Stellen im natürlichen Systeme die rudimentären Organe für ihren Zweck zuweilen ebenso nützlich oder selbst nützlicher befunden haben, als die Theile von hoher physiologischer Wichtigkeit. Rudimentäre Organe kann man mit den Buchstaben eines Wortes vergleichen, welche beim Buchstabiren desselben noch beibehalten, aber nicht mit ausgesprochen werden und bei Nachforschungen über dessen Ursprung als vortreffliche Führer dienen. Nach der Annahme einer Descendenz mit Abänderung können wir schließen, daß das Vorkommen von Organen in einem verkümmerten, unvollkommenen und nutzlosen Zustande und deren gänzliches Fehlschlagen, statt wie bei der gewöhnlichen Theorie der Schöpfung große Schwierigkeiten zu bereiten, vielmehr nach den hier erörterten Gesichtspunkten vorauszusehen war.


Zusammenfassung.

Ich habe in diesem Capitel zu zeigen gesucht, daß die Anordnung aller organischen Wesen aller Zeiten in einander untergeordneten Gruppen, – daß die Natur der Beziehungen, nach welchen alle lebenden und erloschenen Wesen durch zusammengesetzte, strahlenförmige und oft sehr mittelbar zusammenhängende Verwandtschaftslinien in einige wenige große Classen vereinigt werden, – daß die von den Naturforschern bei ihren Classificationen befolgten Regeln und sich

Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Über die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl oder die Erhaltung der begünstigten Rassen im Kampfe um's Dasein. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1876, Seite 542. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinEntstehung1876.djvu/552&oldid=- (Version vom 31.7.2018)