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um dessen Besitz. Sir R. Heron führt an, dass bei den Pfauen die ersten Annäherungen stets vom Weibchen ausgehen. Etwas derselben Art findet auch Audubon zufolge bei den älteren Weibchen des wilden Truthuhns statt. Beim Auerhuhn coquettiren die Weibchen um das Männchen herum, während es auf einem der Versammlungsplätze herumstolzirt, und suchen dessen Aufmerksamkeit zu fesseln.[1] Wir haben gesehen, dass eine zahme Wildente nach einer langen Umwerbung einen anfangs unwilligen Spiessenterich verführte. Mr. Bartlett glaubt, dass der Lophophorus wie viele andere hühnerartige Vögel von Natur polygam ist; man kann aber nicht zwei Weibchen mit einem Männchen in einen und denselben Käfig thun, weil sie so heftig mit einander kämpfen. Das folgende Beispiel von Rivalität ist noch überraschender, da es sich auf Gimpel bezieht, welche sich gewöhnlich für die Zeit ihres Lebens paaren. Mr. Jenner Weir brachte ein dunkel gefärbtes und hässliches Weibchen in seine Voliere und unmittelbar darauf griff dieses ein anderes, gepaartes Weibchen so erbarmungslos an, dass das letztere getrennt werden musste. Das neu hinzugekommene Weibchen verrichtete alle Dienste der Bewerbung und war zuletzt erfolgreich, denn es paarte sich mit dem Männchen. Aber nach einer gewissen Zeit erhielt es seinen gerechten Lohn; denn nachdem es aufgehört hatte kampfsüchtig zu sein, wurde das alte Weibchen wieder hinzugebracht, und nun verliess das Männchen seine neue und kehrte zu seiner alten Liebe zurück.

In allen gewöhnlichen Fällen ist das Männchen so gierig, dass es jedes Weibchen annimmt und, so weit wir es beurtheilen können, nicht das eine einem andern vorzieht. Aber Ausnahmen von dieser Regel kommen, wie wir später sehen werden, allem Anscheine nach in einigen wenigen Gruppen vor. Unter den domesticirten Vögeln habe ich nur von einem einzigen Falle gehört, in welchem die Männchen irgend eine Vorliebe für besondere Weibchen zeigten, nämlich vom Haushahn, welcher der hohen Autorität des Mr. Hewitt zufolge die jüngeren Hennen den älteren vorzieht. Auf der anderen Seite ist Mr. Hewitt in Folge seiner Erfahrung bei der Ausführung hybrider Verbindungen zwischen den männlichen Fasanen und gemeinen Hennen


  1. In Bezug auf Pfauen s. Sir R. Heron, in: Proceed. Zoolog. Soc. 1835, p. 54, und E. S. Dixon, Ornamental Poultry, 1848, p. 8. Wegen des Truthuhns s. Audubon, a. a. O. p. 4. Wegen des Auerhuhns: Lloyd, Game Birds of Sweden, 1867, p. 23.
Empfohlene Zitierweise:
Charles Darwin: Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche Zuchtwahl, II. Band. E. Schweizerbart'sche Verlagshandlung (E. Koch), Stuttgart 1875, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DarwinAbstammungMensch2.djvu/126&oldid=- (Version vom 31.7.2018)