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setzte in seinen Entgegenstellungen die Einheit auf die Seite des Guten, die Mehrheit aber auf die Seite des Bösen: wie zu ersehen in dem ersten Kapitel über das Sein an sich. Sündigen scheint daher nichts Andres zu sein als die Einheit verlassen und zur Vielheit übergehen, was auch der Psalmist bestätigt, wenn er sagt: durch die Frucht des Getreides, Weins und Oels haben sie sich vervielfältigt. Hieraus ergibt sich, daß Alles, was gut ist, dadurch gut ist, daß es aus der Einheit besteht. Und da die Eintracht, soweit sie es ist, etwas Gutes ist, so erhellt, daß sie aus einer Einheit, wie aus einer eigenen Wurzel bestehe, welche Wurzel klar werden wird, wenn man die Natur oder Beschaffenheit der Eintracht untersucht. Denn die Eintracht ist die gleichförmige Bewegung mehrerer Willenskräfte, in welcher Beschaffenheit liegt, der Begriff der Einheit der Willenskräfte durch gleichförmige Bewegung sei die Wurzel der Eintracht oder die Eintracht selbst. Denn sowie wir mehrere Schollen einträchtig nennen würden, weil sie alle nach dem Mittelpunkt sich neigen und mehrere Flammen, weil sie alle nach dem Umkreis emporsteigen, sofern sie mit freiem Willen begabt wären, so nennen wir mehrere Menschen einträchtig, sofern sie sich zugleich nach Einem Willen bewegen, denn dies ist die Form des Willens, sowie Eine Beschaffenheit der Form nach in den Schollen ist, nämlich die Schwere, und Eine in den Flammen, nämlich die Leichtigkeit. Denn die Willenskraft ist ein Vermögen, aber die Ergreifung des Guten ist als Aeußeres die Form. Diese Eine Form, gleichwie andre, vervielfacht sich freilich in sich nach der Vielheit des aufnehmenden Stoffes, z. B. die Seele und die Zahl, und andre die Zusammensetzung betreffenden Formen. Nachdem dies vorausgeschickt ist zur Erklärung des für die Aufgabe angenommenen Vordersatzes läuft der Beweis so: Alle Eintracht hängt von der Willenseinheit ab. Das menschliche Geschlecht ist, wenn es sich wohl befindet, gleichsam eine

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Dante Alighieri: Dante Alighieri’s prosaische Schriften II. F. A. Brockhaus, Leipzig 1845, Seite 24. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_Prosa_024.gif&oldid=- (Version vom 22.7.2018)