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142
Dann kamen Vier daher, demüth’ge, schlichte[1]

Und hinter ihnen kam ein Greis, allein[2]
Und schlafend, mit scharfsinnigem Gesichte.

145
Die sieben schienen gleich an Tracht zu sein[3]

Den ersten zweimal zwölf, doch nicht umblühten
Die Häupter Lilienkränz’ in weißem Schein,

148
Rosen vielmehr und andere rothe Blüthen;

Wer’s aus geringer Fern’ erblickte, schwor,
Daß oberhalb der Brau’n sie alle glühten.

151
Mir gegenüber fuhr der Wagen vor,

Worauf ein Donnerhall mein Ohr ereilte,
Und sich des Zugs Bewegung schnell verlor,

154
Der jetzt zugleich mit seinen Fahnen weilte.[4]
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Dreißigster Gesang.
Der Zug steht still. Beatrix, noch verschleiert, redet über Dante’s Liebe zu ihr und Abfall von ihr und ihre Veranstaltung zu seiner Rettung – also Grundgedanke der göttl. Kom. parallel mit Hölle, Ges. 2.

1
Sobald das Nordgestirn der Empyreen[5]

(Das nimmer aufgeht, noch sich wieder senkt,


  1. 142. Vier, die Apostel Petrus, Jacobus, Johannes und Judas, als Verfasser der übrigen Episteln.
  2. 143. Der Verfasser der Offenbarung, welcher schlafend sein wunderbares Traumbild erblickt.
  3. 145. Die sieben letzten sind bekleidet, wie die ersten vierundzwanzig, welche nach V. 65 in weißen Gewändern gingen, allein nicht, wie diese, mit Lilien, sondern mit rothen Blumen bekränzt, zum Zeichen des blutigen Märtyrerthums, welches sie mit himmlischen Blumen schmückt, die wie ein Lichtstreif ihr Haupt umgeben, [und vor allem der vollendeten christlichen Tugend, fides caritate formata.]
  4. 154. Fahnen, die sieben Lichter, welchen der Zug sich, wie eine Kriegsschaar den Fahnen, nachbewegt. – Hier dürfte man fragen: Wie die Kirche, deren tiefe Verderbniß im zweiunddreißigsten Gesange geschildert wird, in das irdische Paradies komme, da in diesem keine Sünde ist, folglich der Zustand der Bewohner keine Erlösung erheischt, und ohne diese keine Kirche gedacht werden kann. Aber es handelt sich hier nicht um die ersten Bewohner des Paradieses, sondern um deren Nachkommen, die es durch Reinigung wieder gewonnen haben und nun durch die Kirche, wie sie sein soll, der Seligkeit zugeführt werden.
  5. XXX. [1–6. Bildlich: das Siebengestirn des höchsten, ersten Geisterhimmels [368] (des Empyreum’s, wie wir im Paradiese erfahren werden), welches für denselben dieselbe Bedeutung als leitender Stern hat, wie das Siebengestirn des niederen Fixsternhimmels, der kleine und große Bär, für die Schiffer etc. auf Erden. Dieses geistige Siebengestirn sind jene sieben Lichter, die sieben Gaben des Geistes, welche den Zug der Kirche leiten und welche nur durch die eigene Schuld des Menschen sich für die Erde in ihrem ursprünglichen Glanze getrübt haben.]
Empfohlene Zitierweise:
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_367.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)