Beseelt mit Kraft und gläubigem Vertrauen.
Und eine Wittw’, ihm in den Zügel fallend,
Die, schmerzerfüllt, mit Flehen ihn beschwor.
– So schien’s dem Aug’ – als goldenes Panier
Die Adler drüberhin im Winde wallend.
„Verweile, Herr, mir ward der Sohn erschlagen,
Du räche mich, die Rache ziemet dir.“
Schien Er, und Sie darauf: „Und wenn du nun“
(Und ihre Worte schien der Schmerz zu jagen)
„Vertraust du, was dir obliegt, fremden Armen,
Mag auch indeß die Pflicht vergessen ruhn!“ –
„„Bevor ich ziehe, lös’ ich meine Pflicht,
Gerechtigkeit gebeut’s, mich hält Erbarmen!““ –
Von Ewigkeit nichts Neues noch gesehen;
Nur uns ist’s neu; denn diese Welt kennt’s nicht!
Nach solcher Demuth Bildern, deren Werth
Noch Er erhöht, durch welchen sie entstehen,
„Sieh Jene dort, die langsam, langsam schreiten,
Von diesen wird uns wohl der Weg gelehrt.“
Mein Streben war, vor Freud’ und Ungeduld
Nach dieser Seite hin die Blicke gleiten.
- ↑ 94. Hiernach ist Gott selbst der Urheber dieser Bilder, die hier und anderwärts bald aus der Bibel, bald aus der Geschichte, oft sogar aus der heidnischen Götterlehre entnommen werden. [Ihm nicht, nur uns sind diese Bilder neu, weil in unsrer Welt solche Demuth nicht mehr ist, wie sie diese Vorbilder zeigen.]
- ↑ [106. Die Vorstellung der Schwere der Bußen in diesem und [256] jenem Leben soll nicht entmuthigen. Sie sind jedenfalls nur zeitlich, bis zum Weltgericht, während die Strafen ungebüßter Sünde ewig sind.]
Alighieri, Dante. Streckfuß, Karl (Übers.). Pfleiderer, Rudolf (Hrsg.): Die Göttliche Komödie. Leipzig: Reclam Verlag, 1876, Seite 255. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dante_-_Kom%C3%B6die_-_Streckfu%C3%9F_-_255.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)