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bewirkt hätten. Ich sah ihn zuerst vor Aranda, als wir mit Verfolgung der Colonne Lorenzo’s beschäftigt waren. Er war damals Oberstlieutenant im Generalstabe Zaratiegui’s. Seine mitten im Feuer elegante und soignirte Toilette fiel mir sogleich auf und stach gegen unsere zerfetzten und abgetragenen Röcke sehr ab. Valdès kannte Spanien und alle agirenden Personen genau, sein Urtheil war stets treffend, und oft hatte ich Gelegenheit zu bemerken, daß er mit viel Richtigkeit später eingetroffene Ereignisse vorher sagte. Als ich mitten im allgemeinen Enthusiasmus, der alle Royalisten damals bei bloßer Nennung des Namens Maroto’s ergriff, ihn um sein Urtheil über den neuen commandirenden General fragte, äußerte er sich zu meiner großen Verwunderung geringschätzig und mit jener kalten Verachtung (desdeño), die spanischen Physiognomien einen eigenen Ausdruck von Hochmuth verleiht. Bei der ersten Nennung des Namens Maroto’s waren die Worte Ayacucho und Baratéro[1] die ersten Epitheten, die er dem Manne


  1. Ayacucho ist bekanntlich der Spottname Jenen beigelegt, die im spanischen Amerika dienend, durch Unterzeichnung [20] des schmählichen Traktats von Ayacucho das feste Land der Krone aufgaben. Das Wort Baratéro hat viele Bedeutungen; dem Wortlaut nach bezeichnet es Kartenmischer und Würfelwerfer; doch hat es im Mund des Volks noch einen besondern Sinn und begreift eine Klasse von Menschen, die in jedem Regiment anzutreffen waren. Sie führten stets Karten und Würfel bei sich, und wenn Soldaten spielen wollten, so zwangen sie sie gegen eine vom Gewinner zu entrichtende Retribution sich ihres Vorraths zu bedienen. Auf Weigerung erfolgte stets Streit und eine Herausforderung, die früher mit dem Degen, in den letztern Zeiten mit dem langen Messer, Cuchillo, ausgefochten wurde. Die Baratéros waren meist bekannte Spadassins, die über den Ausgang ihrer Händel ziemlich ruhig sein konnten. Einige haben sich im letzten Kriege zu bedeutenden Posten emporgeschwungen. Ihr Métier war durch die Ordonanz beider Heere streng verpönt, doch nicht auszurotten. Ich habe Mehrere, besonders in den catalonischen Guerillas gesehen, wo sie um so gefährlicher waren, als dort jeder Soldat das Cuchillo als Nationalwaffe führt. Bei aller durchgreifenden [21] Strenge des Grafen de España scheiterte seine Macht am Cuchillo; er konnte es nicht abschaffen, und mußte sich darauf beschränken das Einhauen oder Sägen der Klinge (dentelar) zu verbieten, das jede Heilung unmöglich macht.
Empfohlene Zitierweise:
Felix Lichnowsky: Erinnerungen aus den Jahren 1837, 1838 und 1839. Zweiter Theil. Frankfurt am Main 1841, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:DE_LICHNOWSKY_E_2_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)