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Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60

aber anwenden werde ich es doch wol nicht. In unserer Haushaltung daheim ist nie ein Inventar gemacht worden. Glaubst du wirklich, das Inventarisieren gehöre nur in Anstalten? Siehst du nicht ein, nachdem ich dir einiges von dessen Nutzen gesagt, daß dieses auch in Privathaushaltungen anwendbar und ausführbar wäre? Ich denke ja. Erstlich ists dir ein Nutzen, wenn du das Inventarwesen kennen und üben lernst, weil du dich mehr an Ordnung und Genauigkeit gewöhnst. Wirst du nicht, wenn du wieder in dein elterliches Haus zurückkehrst, dir von deiner Mutter die Erlaubnis ausbitten, ein Inventar anlegen zu dürfen, und wenn deine Mutter dann die größere Ordnung bemerken wird, die durch das Inventarisieren kommen muß, wird sie sich nicht dessen freuen und die Wolthat schätzen lernen? Du wirst dann auch nicht mehr sagen, daß du das nicht brauchst, sondern lieb wird dir werden das Inventarwesen.


Vom Schmuck der heiligen Orte.
(Fortsetzung.)
§. 32.

 Bereits im 3ten Jahrhundert findet man eine Anordnung des Bischofs zu Rom, daß die Priester die hl. Gewänder nicht zum gewöhnlichen Gebrauche anziehen sollen. Daraus geht hervor, daß man im 3ten Jahrhundert bereits hl. Gewänder hatte und misbrauchte. Auch die apostolischen Constitutionen verordnen, daß der Bischof die hl. Geschäfte in einem besondern und ausgezeichneten Gewande vornehmen soll. Das Altertum ist also keineswegs der Meinung gewesen, daß es keine geistlichen Gewande geben solle, und der einfache Schicklichkeitssinn aller Zeiten wird sich gegen die gewöhnliche Kleidung bei hl. Geschäften wehren. Im Verlauf der Zeit bildete sich eine reiche und allerdings ihrer Idee nach zu den Geschäften des Heiligtums passende Kleidung aus. Die Reformationszeit warf sie mehr oder minder ab, bis durch das Interim hie und da wenigstens teilweise zurückgebracht wurde, was abgethan war. Der Fall des Interims tilgte dann nicht wieder allgemein die hl. Kleidung aus. Erst in der neuen Zeit, mit Ueberhandnahme des Unglaubens und profanen Sinnes in allen Stücken, fielen dann an den meisten Orten die letzten Reste der altkirchlichen Kleidung, und die Herrschaft des schwarzen Kirchenrocks wurde allgemein, was die Farbe betrifft, obwol die Form des Rockes auch in unsern Gegenden noch vor kurzer Zeit so verschieden war, daß bei einer Diöcesanversammlung von zwanzig Pfarrern zwanzig verschiedene Schnitte von Kirchenröcken gesehen werden konnten. Der schwarze Rock des Geistlichen, so wie er jetzt zu sein pflegt, ist entweder die gewöhnliche Kleidung der Männer des 16ten Jahrhunderts oder eine protestantische Uebersetzung des alten Talars oder außeramtlichen Standeskleides der römischen Geistlichkeit. Dieser Rock und oben die 2 Läppchen, von denen im Grunde kein Mensch weiß, was sie sollen und wollen, sammt dem Birret bilden gegenwärtig die Amtskleidung unserer Pfarrer. An dieser Kleidung läßt sich nun allerdings durch den einzelnen Pfarrer nichts ändern, und es ist daher nur vor allen Dingen darauf zu sehen, daß sie selbst so würdig als möglich hergestellt werde, und daß in derselben eine und dieselbe Form wenigstens in einer und derselben Gegend festgehalten werde, damit nicht das Auge derjenigen, die sich am Geringen ärgern, durch die Mannichfaltigkeit beleidigt werde, und der Verstand der Böswilligen den Schluß ziehe, daß man es in der protestantischen Kirche nicht einmal in solchen Dingen zu einer Einigkeit bringe. Sollte man allgemeine Regeln machen, so wäre es freilich eine üble Sache, wenn der Theaterschneider zu Rathe gezogen würde; am Ende aber wird, zur Schmach des Presbyteriums der Protestanten muß man das wol sagen, immer noch ein Theaterschneider noch beßern Rat geben, als die Pfarrer und ihre Weiber, die in der Regel von dem am wenigsten verstehen, was sich für das Haus Gottes schickt. Jedenfalls wird der Talar, wenn er einmal weit sein soll, am besten recht weit sein an Rock und Aermeln, sowie, nach dem abscheulichen Namen, den man hiefür sich angewöhnt hat, der Sattel nicht weiter und tiefer als bis zur Armhöhe des Mannes gehen soll. Auch der Gebrauch des Sammets ist nicht eben sehr praktisch, da er sehr vergänglich und dem Verderben ausgesetzt ist. Rücksichtlich der Läppchen kann man streiten, wie auch schon lange unter den Pfarrersfrauen Streit ist, ob sie lang oder kurz, breit oder schmal, mit einer breiten oder schmalen Unterlage ringsum versehen, steif oder lasch sein sollen. Am Ende überläßt man das auch den Pfarrersfrauen, damit sie doch auch über etwas zu reden haben. Jedenfalls ist die gegenwärtige Pfarrerskleidung keine priesterliche, und wenn im 4ten Jahrhundert n. Chr. die weiße Farbe die allgemeine war, so möchte man, das anlangend, jene Zeit zurückwünschen. Im gewöhnlichen Leben wird die schwarze Farbe, die auf Buße und Abtödung alles Weltlichen hinzeigt, den Vorrang behaupten; am Altar aber, bei der Feier der hl. Sakramente, ziemte sich für den priesterlichen Vertreter des ewigen Hohepriesters und des priesterlichen Volkes eher die Alba, weit und faltenreich von reiner und feiner Leinwand gefertigt, bis zu den Füßen herunterfließend, mit nicht sehr weiten Aermeln und dem Cingulum versehen, welches gleichfalls aus Leinwand bestehen könnte. Die Kleidung der römischen Geistlichen ist folgende :

1. Der Amictus oder das Humerale, seit dem 8ten Jahrhundert gebräuchlich;
2. die Alba oder Camisia, – der spätere weiße Chorrock ist weiter nichts als eine abgekürzte Alba;
3. das Cingulum oder der Gürtel;
4. der Manipulus oder das Sudarium;
5. die Stola oder das Orarium;
6. die Planeta oder Casula;
7. das Pluviale oder die Cappa;
8. das Birret.

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Löhe: Vom Schmuck der heiligen Orte, Dictat aus den Jahren 1857/58, abgedruckt im „Correspondenzblatt der Diaconissen von Neuendettelsau“ 1859/60. Druck in Commission der C. H. Beck’schen Buchhandlung, Nördlingen 1859, 1960, Seite 39. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Correspondenzblatt_der_Diaconissen_von_Neuendettelsau_Bd02_1859.pdf/41&oldid=- (Version vom 4.9.2016)