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Das Campo santo in Pisa.




Die Kreuzzüge hatten das Abendland in mannigfache, unmittelbare Berührung mit dem Morgenland gebracht. Kunstübung hatte sich dort, wenn auch nicht in hoher Vollendung, doch ungleich besser erhalten, als im Abendlande, das sich Unterweisung, Meister und Werke dort holte. Aber belebend wirkte zugleich jener fromme Sinn, der auch auf materielle, leblose Erinnerungen an heilige Personen und Orte einen Werth legt. Und als Kaufleute von Pisa Erde vom gelobten Lande als Ballast in ihren Schiffen mit sich in die Heimath geführt, reifte sogleich in dem hohen Rathe der Republik der Plan, diese „heilige Erde“ zu einer Begräbnissstätte zu machen, für ausgezeichnete, um das Wohl des Vaterlandes in Krieg und Frieden besonders verdiente Bürger, und den Ort mit einem würdigen Gebäude zu umgeben.

Lunette (Tafel 4)

Im Jahre 1278 erhielt der Bildhauer und Baumeister Giovanni Pisano, Sohn des Nichola Pisano, des berühmtesten Bildhauers und Baumeisters seiner Zeit, den Auftrag, den Plan für dieses Gebäude zu entwerfen. Das Bild der Lunette zeigt uns den Künstler, wie er den Stadtältesten den Grund- und Aufriss zur Begutachtung vorlegt. Es ist ein Oblongum für die heilige Erde, bekannt als „Campo santo“, umgeben von einer hohen, nach innen offenen Halle im germanisch-toscanischen Baustyl mit angrenzenden Capellen. Der Plan ward genehmigt, das Gebäude 1283 vollendet.

Hinter dem Künstler sieht man bereits Steinmetzen beschäftigt, Capitäle zu meisseln, denen die Antike als Muster dient; denn aus ihren Kriegen mit Sicilien hatten die Pisaner auf ihren Schiffen antike Sarkophage und andere Sculpturen als Siegesbeute mitgebracht, auch im eigenen Lande Alterthümer gefunden und bewahrt, um sie im Campo santo aufzustellen. Die grossen Wandflächen forderten zum malerischen Schmuck heraus. Noch aber war die Malerei weit zurück; sie glich einem Kinde, das zaghaft die ersten Schritte wagt; bald aber wird sie der in ihr sich entwickelnden Kräfte bewusst und entläuft dem leitenden Gängelbande; vielleicht etwas zu früh, wie manche der älteren Malereien im Campo santo (von Antonio Veneziano, von Spinello Aretino) als Beweis angeführt worden können.

Die reiche Ornamentik, mit welcher Cornelius die Darstellungen umgeben, weisen auf den Zusammenhang der wiederbelebten Kunst mit dem Alterthume hin; die Statuen aber von Minerva und Mercur darauf, dass der Handels-Verkehr zugleich mit irdischen Schätzen wissenschaftliche und Kunst-Bildung nach Pisa gebracht hat.



Empfohlene Zitierweise:
Text von Ernst Förster: Peter von Cornelius − Entwürfe zu Fresken in den Loggien der Pinakothek zu München . Verlag von Alphons Dürr, Leipzig 1875, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Cornelius_Loggien-Bilder_M%C3%BCnchen.pdf/29&oldid=- (Version vom 31.7.2018)