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274 J. E. Wocel.


vielmehr durch zwei in verkehrter Stellung auf einander ruhende attische Basen abgetheilten Säulen, kommen in Deutschland ziemlich häufig, wiewohl zumeist als glatte ringförmige Wulste gebildet, vor, z. B. am südlichen Portale des Domes zu Bamberg, an den Bündelpfeilern der Kirche zu Gelnhausen, am Portale der St. Paulskirche zu Worms, am Portale der Kathedrale zu Strassburg u. s. w. Während man nun in mehreren weit entfernten Kirchen einzelne architektonische Elemente dieser Art vorfindet, gewahrt man dieselben auf überraschende Weise vereint und jenen zu Tišnowic vollkommen analog gebildet in einem Baudenkmale, zu dessen vergleichender Untersuchung schon die Baugeschichte der Tišnowicer Abtei den Forscher auffordert – nämlich in der von Constantia’s Tochter Agnes zu Prag gegründeten St. Franciscus- oder Agnes-Kirche, von der in der vorangehenden Baugeschichte die Rede war. Dieselbe stellt sich als eine Halle von mässigen Dimensionen dar, deren Kreuzgewölbe durch kräftige, aus der Mauer vortretende Bündelpfeiler gestützt werden. Die Profilirung der Gewölbrippen entspricht vollkommen jener der Tišnowicer Kirche. Aus den mächtigen Wandpfeilern der Agnes-Kirche treten Dreiviertelsäulen vor, welche dieselbe Form und Gliederung haben, die man an den Pfeilern der Porta coeli gewahrt. Während aber die Säulen der Klosterkirche zumeist das einfache Knospencapitäl haben, ist die Mehrzahl der Capitäle in der Agnes-Kirche mit dem vollen gothischen Laubornament geschmückt, dessen Motive mit denen, die sich an den Säulen und Consolen im Kreuzgange zu Tišnowic vorfinden, die grösste Ähnlichkeit haben. Die hohen gegliederten Deckplatten und die über denselben als Widerlagen der Gewölbrippen angebrachten Blendschilde sind in der Agnes-Kirche auf dieselbe Weise wie zu Tišnowic angeordnet; dasselbe ist der Fall mit den Säulenbasen, die auch in der Kirchenhalle zu Prag den tellerförmig vortretenden Pfühl haben, wo überdies gleichfalls mehrere Wandsäulen durch den vorspringenden Pfühl in der Mitte unterbunden sind. Die Constructionsweise und die technische Ausführung der Details in der Agnes-Kirche hat so viel Gemeinsames mit den zu Porta coeli vorwaltenden charakteristischen Formen, dass man sich zu der Annahme, beide Bauwerke seien von einem und demselben Meister ausgeführt worden, gedrungen fühlt[1]. Leider stellt sich die Agnes-Kirche gegenwärtig als ein wüster profanirter Bau dar, der durch Bretterdecken in mehrere Stockwerke abgetheilt, als Wollmagazin und Lederniederlage dient. – Der Anblick des überreich geschmückten Portals der Porta coeli scheint die Vermuthung zu rechtfertigen, dass der Urheber desselben ein einheimischer böhmischer oder mährischer Künstler gewesen, der nach dem Vorbilde der italienischen Portale sein Werk ausgeführt hatte. Das Portal zu Tišnowic hat eine, wiewohl entfernte Ähnlichkeit mit jenem der Kirche S. Maria zu Toscanella im Kirchenstaate, indem auch dort die Säulen durch ringförmige Umfassungen abgetheilt und mit Capitälen geziert sind, von denen einige an ähnliche Motive am Tišnowicer Portale mahnen; auch die beiden äussersten von Löwen gestützten Säulen treten am Portale zu Toscanella vor, welches aber bei allem Reichthum seiner Sculpturen nicht verglichen werden kann mit der überschwenglichen Fülle und der gediegenen Ausführung der Ornamente am Portale der Tišnowicer


  1. Auch in der Dechanteikirche zu Kauřim, deren Erbauung gleichfalls in die erste Hälfte des XIII. Jahrhunderts fällt, findet man dasselbe schön entwickelte Laubwerk an den Capitälen und Tragsteinen wie zu Tišnowic und in der S. Agnes-Kirche, wie auch den weit vorragenden Pfühl der Säulenbasis, und wie bereits erwähnt wurde, die Blendschilde über den Abacus der Gewölbstützen. Eine genauere Untersuchung der einheimischen Baudenkmale dieser Art dürfte zu interessanten Resultaten und Aufschlüssen über die Entwickelung und Richtung der Kunst des XIII. Jahrhunderts in den nördlichen Kronländern Österreichs führen.