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stünde, zu singen, und er ist ein so gefühlvoller Spieler, so mächtig rührend in einem Adagio, daß mich verschiedene grosse Musiker versichert haben, wie er ihnen durch sein Adagiospielen sehr oft Thränen entlockt habe.[H 1]

Anmerkungen (H)

  1. Ohne ganz genau zu sehen, ob es hier der schicklichste Ort sey, muß ich meinem Herzen Luft machen, und bezeugen, daß mich noch kein Violinist so tief gerührt hat, als der vortrefliche Mann, der uns Deutschen eine eigne Spielart geschaffet, und bey seinen Solos und Concerten eine der Musik würdigere Absicht gehabt hat, als dem Spieler Gelegenheit zu geben, seine Fertigkeit in Bogen und Fingern bewundern zu lassen. Als ich ihn 1766. im Julii in Potsdam besuchte, und ihn nicht einmal einen Gruß von einem Freunde zu bringen hatte, war er dennoch so verbindlich und offen im Gespräch, daß ich fast darüber vergaß, daß ich gewünscht hatte, ihn spielen zu hören. Ich war auch wirklich schon aufgestanden, um Abschied zu nehmen, als Herr Benda zu mir sagte, er glaube, ich sey doch wohl zu ihm gekommen, um ihn spielen zu hören, ob ich gleich zu höflich schiene, um es ausdrücklich zu verlangen; er wolle auch gerne meine Neugierde befriedigen, wenn nur einer von seinen Söhnen zu Hause wäre, der ihm accompagniren könnte. Aber da war keiner zu Hause, noch sonst zu finden, und bey einem etwas eigensinnigen oder weniger gefälligen Virtuosen hatte ich meine Reise nach Potsdam vergebens gethan gehabt. Bey ihm hingegen hatte ich schon so viel Zuversicht gewonnen, daß ich ihm sagte, da er doch einmal den gütigen Vorsatz gehabt, zu spielen, so wollte ich eher den Versuch wagen, ihn auf der dortliegenden Bratsche zu accompagniren, als aus Blödigkeit ihn gar nicht zu hören. Auch dieses erhielt ich; und Herr Benda trieb seine Gefälligkeit gegen einen völlig Fremden so weit, als nicht leicht ein anderer gethan haben würde, nemlich, mit Besorgniß vor einem verheerenden Accompagnement, zu spielen. Ein entscheidender Zug seines Herzens; so wie es seine Bescheidenheit beweiset, daß er, als ich ihn im Anfang meines Besuchs Herr Concertmeister nannte, solches von sich ablehnte, und sagte, der König habe ihm diesen Titel nicht beygelegt. - Da ich hoffe, daß Herr Benda dieses Buch lesen wird: so wünsche ich durch diese Note ihn zu überzeugen, daß er als Musikus und als Mensch meinem Herzen ergebne Dankbarkeit und wahre Hochachtung eingeflösset hat.
    Der Uebersetzer.