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Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6

Flehen von Benters dunklen Augen bald entkräftet wurden, traf man denn auch für drei Uhr nachmittags eine Verabredung und trennte sich in bestem Einvernehmen, nachdem der Assessor sich noch schnell zu seiner kleinen Freundin herabgebeugt und ihr einen Kuß auf die Stirn gedrückt hatte.

Als die Damen dann oben in der Veranda angelangt waren, fiel Lisa Döring der älteren Schwester in ihrer ausgelassenen Weise lachend um den Hals und flüsterte ihr übermütig zu: „Käti, hab’ ich nun recht gehabt, oder nicht …? Der Assessor ist doch zweifellos heute nur Deinetwegen wieder an den Strand gekommen. Ich wußte es ja längst, gleichgültig bist Du ihm auf keinen Fall. Und wer weiß, aus welchem Grunde die beiden Herren sich in der letzten Zeit so wenig sehen ließen.“

Die junge Frau machte sich langsam aus der Umschlingung frei. Eine zarte Glut stieg ihr in die Wangen, als sie hastig und halb verlegen vor dem Spiegel trat, sich nun mit halb weggewandtem Gesicht den kleinen englischen Strohhut abnahm und dabei leise sagte:

„Wenn Du mich doch nicht immer mit diesen Bemerkungen quälen wolltest … Du kennst mich und meinen Gemütszustand wohl gut genug, um zu wissen, daß des Assessors Anteilnahme für meine Person nur ein Gefühl von scheuer Furcht in mir auszulösen vermag, nichts weiter. Deinetwegen allein gab ich den Bitten Doktor Jarotzkis nach und ließ mich zu dem heutigen Ausfluge überreden, nur Deinetwegen.“

Das junge Mädchen hatte sehr wohl bemerkt, wie es bei diesen Worten um den Mund der so herzinnig geliebten Schwester wie in verhaltenem Weh zuckte, eilte jetzt zu ihr hin und umschlang sie wieder.

„Kätchen, liebes Kätchen, Du sollst nicht immer traurig sein! Wie bringe ich’s nur fertig, daß Du endlich einmal diese Vergangenheit vergißt?“ Und indem sie ihren schlanken Körper zärtlich an den der Schwester schmiegte, fuhr sie mit einem schalkhaften Aufblitzen in ihren klaren, unschuldsvollen Kinderaugen fort: „Wenn Du nur heute Eure Begrüßung hättest beobachten können …! Du wurdest ja ganz rot, als Benters so plötzlich vor Dir stand … Jeder Blinde mußte es mit dem Stock fühlen, daß Ihr beide Euch nicht gleichgültig seid. Nur Du selbst willst davon nichts wissen, Du ganz allein! Und dabei bin ich fest überzeugt, daß Deine Verstimmung in den letzten Tagen lediglich dem plötzlichen Fortbleiben des Assessors zuzuschreiben war. Ich habe sehr wohl gemerkt, wie zerstreut Du warst und wie oft Du Dich suchend umgeschaut hast.“

(Fortsetz. folgt.)
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Walther Kabel: Bix. In: Von Nah und Fern. Illustriertes aktuelles Unterhaltungsblatt für Jedermann. Beilage zur Lienzer Zeitung. Heft 27 S.1–4, Heft 28 S.2–5, Heft 29 S.2–5, Heft 30 S.1–5, Heft 31 S.6. Georg E. Nagel in Berlin-Schöneberg, Lienz 1913, Seite Nr.28,S.5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bix_0009.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)