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fast durchaus getüncht. In den älteren Theilen der Stadt finden sich noch große Giebelhäuser von eigenthümlicher, in der Hauptstraße stattliche Läden und Wohnhäuser von moderner Bauart. Sehr freundlich sind auch die von sogenannten „Engländern“ (s. S. 272) erbauten Häuser nach englischer Art mitten in hübsch angelegten Gärten. Ganz besonders freundlich ist das von Schüßler an der Stelle der alten Kapelle zu St. Wolfgang erbaute Haus jenseits der Kocherbrücke, welches schon vor dem Eintritt in die Stadt dem Wanderer einen günstigen Eindruck macht.

Von öffentlichen Gebäuden nennen mir der Gemeinde gehörige: 1. die Stadtpfarrkirche, Johannes dem Täufer geweiht. Sie steht frei auf dem ehemaligen Gottesacker unweit der Hauptstraße im nördlichen Theil der Stadt. Schon ca. 1090 besaß Künzelsau eine Pfarrkirche. Im Jahr 1290 wurde sie nach der Inschrift um die halbkreisförmige Lünette, die ursprünglich wohl über dem Hauptthore stand, neu gebaut. Die Inschrift lautet ANNO . DNI . M . CC . NONAGESIMO . VI. CA. JVL . ECCESIA (sic) . PVRGATA . APVD . L. PLEB.

Im Jahr 1290 den 26. Juni wurde die Kirche zur Zeit des Pfarrer Ludwig gereinigt (von der Ketzerei? cfr. Württ. Viertelj. 1881 S. 150, wo aber die Inschrift nicht ganz richtig gegeben ist).

1450 (?) wurde die Kirche erneuert, besonders Dach und Glocken. Im Jahr 1599 stellte sich ein unabweisbares Bedürfnis des Neubaues der Kirche heraus, aber die Ganerben konnten sich nicht einigen. 1609 baten die Filialisten dringend um Erweiterung der Kirche. Die alte Kirche war nemlich um 50′ kleiner und hatte nur je 2 Seitenfenster. Endlich am 3. Febr. 1617 wurde das Schiff der Kirche abgebrochen und am 30. November der erste Gottesdienst in der Kirche gehalten. Während des Baues predigte der Pfarrer in der Kapelle zu St. Wolfgang, der Kaplan in der Kirchhofkapelle. Der Bau kostete 7500 fl. 1650 erhielt Altar, Kanzel und Taufstein eine neue Bekleidung aus den alten Meßgewändern. Der Altar wurde 1704 von Bildhauer Sommer und Sohn aus Öttingen hergestellt, 1744 eine Orgel angeschafft, 1764–68 die Kirche renovirt. Im folgenden Jahr schlug der Blitz in den Kirchthurm und zündete, doch konnte das Feuer bald gelöscht werden, ohne großen Schaden angerichtet zu haben. 1859 wurde die Kirche einer gründlichen Restauration unterzogen und manche geschmacklose Überbleibsel entfernt, ein eisernes Taufbecken aufgestellt

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Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 266. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_I_266.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)