Seite:Beschreibung des Oberamts Kuenzelsau II 762.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Auch in der Sprache unterscheidet sich Ober-Kessach ganz merklich von den benachbarten württembergischen Gemeinden und theilt mit den angrenzenden badischen Gemeinden den pfälzisch gefärbten Dialekt (s. Mundart). Der Nahrungsstand der Einwohner ist mittelmäßig. Der vermöglichste Bürger besitzt 60 M. Feld und 15 M. Wald, der Mittelmann 20–30 M., die ärmere Klasse 5–15 M. Auf angrenzenden Markungen besitzen die Ortsbürger ca. 30 Parzellen. Die Haupterwerbsmittel sind Ackerbau, der energisch betrieben wird, aber mühsam ist, da alle Wege aus dem Dorfe auf die Höhe führen, und die Viehzucht, welche ihr Absatzgebiet in Baden hat. Im Orte sind zwei Mühlen mit je 3 Mahl- und einem Gerbgang, eine Ölmühle und Hanfreibe, sowie eine Sägmühle. Schildwirthschaften gibt es vier und eine Bierbrauerei mit Wirthschaftsgerechtigkeit, Kramläden drei. Unter den Handwerken sind am stärksten vertreten Schuhmacher und Leineweber.

Das Klima ist mild, aber Frühlingsfröste häufig und schädlich. Gegen scharfe Winde schützt die tiefe Lage. Auch Gewitter sind selten, ebenso Hagelschlag; doch traf der Hagelschlag am 2. Juli 1877 die Gemeinde ziemlich stark. Als Wetterscheide gilt der Glasenberg. Von der Enzenhalde genießt man eine hübsche Aussicht auf die hohenloher Ebene und die sie umsäumenden Waldenburger und Löwensteiner Berge.

Die mittelgroße, wohlabgerundete Markung hat mittelfruchtbaren, größtentheils leichten Boden. Von den Wiesen, besonders im obern und untern Thal der Kessach, ist ein Drittel naß und gibt saures Futter.

An Wald hat die Gemeinde 1000 M. Laubwald und 10 M. Nadelwald. Der Jahreshieb in 35jährigem Turnus liefert 80 Festmeter Stammholz, 450 Raummeter Scheiter und Prügel und 13–14 Tausend Wellen. Jeder Bürger erhält 2 Rm. Holz und 15–20 M. Geld aus dem Holzerlös, das Übrige fällt in die Gemeindekasse.

Als Weide werden ca. 100 M. Ödung, sowie die Brach- und Stoppelweide benützt. Die Weide ist gut und trägt der Gemeinde einen Pacht von 1400 M. nebst 600 M. Pferchnutzung ein.

Der Pachtschäfer, ein Ortsbürger, hält im Winter 300, im Sommer 450, nach der Ernte 550 Stück Schafe (Rauhbastarde). Die Wolle geht nach Heilbronn.

Empfohlene Zitierweise:
Julius Hartmann und Eduard Paulus der Jüngere: Beschreibung des Oberamts Künzelsau. Kohlhammer, Stuttgart 1883, Seite 762. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beschreibung_des_Oberamts_Kuenzelsau_II_762.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)