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man lebt, von deren Gefühlen man unwillkürlich angesteckt wird, die größere Sympathie zuwendet – und wir waren ja von Franzosen umgeben. Dennoch: Friedrich war preußischer Abkunft, und waren nicht auch mir die Deutschen, deren Sprache ja die meine ist, stammverwandter als ihre Gegner? Außerdem war die Kriegserklärung nicht von den Franzosen aus so nichtigem Grunde – nein, nicht Grunde, Vorwande – ausgegangen, mußten wir daher nicht einsehen, daß die Sache der Preußen die gerechte war, daß diese nur als Verteidiger und dem Zwang gehorchend, in den Kampf zogen? Und war die Einmütigkeit nicht erhebend, mit welcher die vor kurzem noch sich befehdenden Deutschen sich jetzt zusammenscharten? Sehr richtig hatte König Wilhelm in seiner Thronrede vom 19. Juli gesagt:

„Das deutsche und das französische Volk, beide die Segnungen christlicher Gesittung und steigenden Wohlstandes gleichmäßig genießend, waren zu einem heilsameren Wettkampfe berufen, als zu dem blutigen der Waffen. Doch die Machthaber Frankreichs haben es verstanden, das wohlberechtigte aber reizbare Selbstgefühl unseres großen Nachbarvolkes durch berechnete Mißleitung für persönliche Interessen und Leidenschaften auszubeuten –“

Kaiser Napoleon erließ seinerseits folgende Proklamation:

„Angesichts der anmaßenden Ansprüche Preußens haben wir Einsprache gethan. Diese ist verspottet worden. Vorgänge[1]

  1. Diese Vorgänge wurden 18 Jahre später wie folgt beurteilt. In seinem Werk über den Feldzug von 1870 schreibt General Boulanger: Après avoir obtenu une satisfaction[254] légitime, nous avons voulu imposer une humiliation au roi de Prusse; nous en sommes venus à prendre une attitude diplomatique agressive, presque inconsciente. La renonciation formelle du Prince Leopold de Hohenzollern nous était acquise, nous avions en outre l’assentiment du roi de Prusse à cette renonciation. La réparation était suffisante car elle demeurait sur le domaine respectif des interêts de la France, des droits de le France et des obligations du chef de la famille Hohenzollern. Nous devions nous en tenir là. Notre gouvernement poussa plus loin. Il voulut un engagement catégorique du roi Guillaume pour l’avenir. En portant si haut ses prétentions il deplaçait l’objet et le terrain du litige. Il en taisait une provocation directe au souverain de la Prusse.
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Bertha von Suttner: Die Waffen nieder!. E. Pierson’s Verlag, Dresden/Leipzig 1899, Band 2, Seite 253. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Bertha_von_Suttner_%E2%80%93_Die_Waffen_nieder!_(Band_2).djvu/258&oldid=- (Version vom 31.7.2018)