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sie auf langen Tischen in der Sakristei aufgestellt worden. Die Stiftsherren kamen, nahmen sie auf ihre Arme und trugen sie in Procession zum Hause des Kanonikus Mulre, das an der Südseite der Kirche lag. Hier trat die Procession der Stiftsherren durch eine Hinterthüre ein und stieg auf den Boden hinauf, dessen Giebel dem Markte zugewandt war und vor dem sich ein hohes Gerüst erhob, welches den ganzen Platz heherrschte und weithin sichtbar war. Es war mit Teppichen und goldenen oder seidenen Tüchern behängt und reich verziert. Kanonikus Johann von Thigel trat vor und hielt eine feurige Predigt an das Volk, das sich von weither herbeidrängte. Eine Musikbande folgte mit ihrem Spiel, und dann wurden die 23 Reliquiare der Kirche der Reihe nach vorgezeigt. Ein Priester verkündete zuerst mit lauter Stimme, was jedes Reliquiar enthalte, und dann reichte Johann von Thigel dasselbe dem Dechanten, der es unter Posaunenklang emporhielt und nach einer Weile dem Scholasticus zurückgab, welcher zu seiner Linken stand.

     Die Reliquiare, die gezeigt wurden, und die den Schatz der Kirche von Xanten bildeten, waren folgende:

     1. Ein kleines Kreuz, mit goldenen Rosen verziert.

     2. Ein größerer Reliquienschrein, mit Perlen besetzt.

     3. Versilberte und vergoldete Büsten mit Reliquien von den unschuldigen Kindern und von den hl. Jungfrauen aus der Gesellschaft der hl. Ursula.

     4., 5., 6., 7., 9. Fünf rothe und weiße Kästchen aus Holz und Elfenbein geschnitzt und mit Reliquien gefüllt.

     8. Ein langer Schrein von Elfenbein.

     10., 16. Ein kleineres goldenes Kreuz und ein größeres.

     11.–14. Vier vergoldete Monstranzen mit Reliquien.

     15. Eine silberne Statue der allerseligsten Jungfrau.

     17., 18. Der Arm der hl. Helena und der des hl. Victor in Silber gefaßt.

     19., 20. Reliquienkasten.

     21.–23. Stoffliche Reliquien des Herrn und des hl. Victor[1].

     Diese Reliquien wurden auch den folgenden Tagen gezeigt, im Ganzen siebenmal.

     Der 20. August, an dem die Kirche das Fest des hl. Bernard, des Freundes des hl. Norbert von Xanten, feiert, brachte den Mittelpunkt des Festes, die feierliche Procession zum Fürstenberg.

     Der neue Friede und die gesegnete Ernte hatten das Volk der ganzen Gegend zu hoher Freude gestimmt. Seit Menschengedenken hatten die

  1. * Heimeric. I fol. 25, 32, 169, 171.
Empfohlene Zitierweise:
Stephan Beissel: Die Victortracht des Jahres 1464 In: Die Bauführung des Mittelalters. Studie über die Kirche des hl. Victor zu Xanten. Freiburg im Breisgau: Herder, 1889, Seite 63. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Beissel_%E2%80%93_Die_Victortracht_des_Jahres_1464.djvu/15&oldid=- (Version vom 31.7.2018)