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Satan und die Dämonen. Wer des Bösen in sich wirklich Herr werden will, muß darum mit dieser Macht unmittelbar den Kampf aufnehmen. So entschließt sich Antonius zu einem weiteren Schritt. Er begibt sich hinaus vor das Dorf in ein Grab. Um diesen Zug richtig zu verstehen, muß man sich daran erinnern, daß nach allgemein orientalischer (und griechischer) Anschauung das Grab der Aufenthaltsort der Dämonen ist. Antonius rückt also jetzt an den Gegner selbst heran[1]. Und der Feind stellt sich ihm. Der Satan überfällt ihn mit einem ganzen Heer von Dämonen. Sie mißhandeln ihn furchtbar, sie schrecken ihn mit höllischem Lärm und mit teuflischem Spuk. Aber Antonius läßt sich nicht schrecken. Er hält sich an den Glauben, daß dem Satan durch Christus die Macht genommen ist. Wie er inmitten der Dämonen furchtlos bleibt, wird ihm die erste Offenbarung des Herrn zuteil, ein Zeichen, daß er jetzt eine höhere Stufe erreicht hat: er ist fähig und würdig, den Herrn zu schauen. Wieder macht die Vita den Einschnitt bemerklich, indem sie dabei das Alter des Antonius angibt.

     3. c. 11–47. Gestärkt durch die ihm zugesagte Hilfe des Herrn wagt Antonius das Letzte. Er geht hinaus in die Wüste, d. h. er greift jetzt den Satan im eigenen Lager an. Denn die Wüste ist der eigentliche Wohnsitz des Satans. Zwanzig Jahre verbringt Antonius dort in gänzlicher Abgeschiedenheit, immer neue Kämpfe mit dem Satan und den Dämonen bestehend, aber auch mit immer neuen Offenbarungen begnadigt. Nach Ablauf dieser Frist erscheint er als innerlich fertig. Er ist eingeweiht in die Geheimnisse der unsichtbaren Welt und erfüllt mit ihren Kräften[2].

     Aber es ist Gottes Wille nicht, daß diese Gaben nur dem Antonius selbst zugute kommen. Längst schon haben Hilfesuchende und Gleichgesinnte, die seine Schüler werden wollen, Einlaß bei ihm begehrt. Nunmehr erbrechen sie seine Zelle und nötigen ihn herauszugehen. Den Wink von oben erkennend, sträubt sich Antonius jetzt nicht mehr ihnen zu willfahren.

     Die Vita berichtet nur kurz, wie er den Leidenden Trost und Heilung spendete, ausführlich dagegen verweilt sie bei der erzieherischen Wirksamkeit, die er unter den sich ihm anschließenden Mönchen entfaltete. Um ihn von dieser Seite her zu schildern, legt sie ihm eine lange Lehrrede in den Mund (c. 21–43). Antonius teilt darin die Erfahrungen, die er im geistlichen Kampf gemacht hat, seinen Mönchen mit, unterrichtet sie über die Angriffsweise und die Schliche der Dämonen und stärkt sie zu furchtlosem Gottvertrauen. Das Ganze dient ebenso dem Zweck, den Tiefblick des Antonius, seine Gabe der Unterscheidung der Geister, hervorzuheben, wie dem anderen, den Leser auf die Bedeutung des vorher Erzählten noch einmal aufmerksam zu machen.

     Geschickt steigernd berichtet die Vita noch, wie Antonius damals auch schon Gelegenheit


  1. Die Vita hat diesen Sinn selbst angedeutet 856 A: ἔνθα δὴ μὴ φέρων ὁ ἐχθρός, ἀλλὰ μὴν καὶ φοβούμενος, μὴ κατ’ ὀλίγον καὶ τὴν ἔρημον ἐμπλήσῃ τῆς ἀσκήσεως. Das soll heißen: wenn Antonius den Mut hat, im Grabe die Dämonen anzugreifen, so wird er es bald auch unternehmen, gegen den Satan in der Wüste zu Felde zu ziehen.
  2. c. 14, 864 C: προῆλθεν ὁ ᾿Αντώνιος ὥσπερ ἔκ τινος ἀδύτου μεμυσταγωγημένος καὶ θεοφορούμενος; vgl. auch seine Erzählung in c. 41. Daß der Satan ihm leibhaftig erscheint, ist ebenso wie im früheren Fall das Zeichen, daß jetzt der Sieg erstritten ist.
Empfohlene Zitierweise:
Karl Holl: Die schriftstellerische Form des griechischen Heiligenlebens. J. C. B. Mohr, Tübingen 1928, Seite 251. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Band_II_-_Der_Osten_(Holl)_251.png&oldid=- (Version vom 31.7.2018)