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899 andern mit den Pferden die Möglichkeit der Flucht nahmen, und sie dann, wenn sie sie unberitten antrafen, um so leichter mordeten. Zu noch größerm Verderben der Christen war endlich auch eine heftige Zwietracht unter ihnen ausgebrochen. Einige traten den Ungern gar nicht zum Kampfe entgegen, sondern wünschten nichts sehnlicher als daß ihre Nächsten umkommen möchten, und zwar handelten diese Nichtswürdigen deswegen so nichtswürdig, weil sie nach dem Tode ihrer Gefährten ohne Nebenbuhler um so schrankenloser zu herrschen hofften. Aber indem sie ihren Nächsten in ihrer Noth zu helfen unterließen, und sich über den Untergang derselben freueten, rannten sie in ihr eigenes Verderben. Die Christen ergriffen also die Flucht, und die Heiden überließen sich ihrer Mordlust; die, welche so eben noch mit reicher Gabe vergeblich um Schonung geflehet hatten, wußten nun selbst der Flehenden nicht zu schonen. Als endlich die Christen alle theils getödtet, theils in die Flucht geschlagen waren, durchzogen die Ungern verheerend das ganze Land. Niemand wagte ihre Ankunft anders als etwa in den festesten Plätzen zu erwarten. So sehr gewann ihre Kraft die Oberhand, daß ein Theil von ihnen Baiern, Schwaben, Franken und Sachsen, ein anderer aber zu derselben Zeit Italien verwüstete.

16. Solches aber hatten sie nicht durch ihre eigene Kraft erreicht, sondern es erfüllte sich hier das wahrhafte Wort des Herrn, das bleibender ist als Himmel und Erde, da er einst durch den Propheten Jeremias in der Person des Volkes Israel alle Völker der Erde bedräuete, also redend: „Ich will über euch ein Volk von fernen bringen, ein mächtig Volk, die das erste Volk gewesen sind; ein Volk deß Sprache du nicht verstehest, und nicht verstehen kannst, was sie reden. Seine Köcher sind offene Gräber, es sind eitel Riesen. Sie werden deine Ernte und dein Brod verzehren; sie werden deine Söhne

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/54&oldid=- (Version vom 1.4.2023)