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zu tragen glauben, da sie doch nur einen Fetzen davon besitzen, werden mir höhnend sagen: „Unsere Vorfahren haben schon so viel geschrieben, daß es eher an Lesern, als an Büchern fehlen möchte.“ Auch werden sie mich mit jenem Vers des Lustspiels verspotten:[1] „Nichts wird man hören, was nicht Andere schon gesagt.“ Solchen Widerbellern antworte ich nun, daß, wie die Wassersüchtigen desto heftigeren Durst empfinden, je mehr sie trinken,[2] ebenso die Liebhaber der Weisheit, je mehr sie lesen desto begieriger nach neuen Büchern sind. Wer sich an den tiefsinnigen Werken des beredten Tullius müde gelesen, mag in solchen leichten Schriften, wie die gegenwärtige, Erholung suchen. Denn gleichwie das von den Strahlen der Sonne getroffene Auge, wenn man nicht etwas dazwischen bringt, geblendet wird, und die Sonne nicht in ihrer wahren Gestalt schaut: so müßte, scheint mir, der Geist, der sich unablässig mit den Lehren der Akademiker, Peripatetiker und Stoiker beschäftigen wollte, ermatten, wenn er nicht in dem wohlthätigen Lachen der Komödie, oder in ergötzlichen Heldengeschichten Erquickung fände. Da nun die abscheulichen Gebräuche der alten Heiden, deren Kenntniß nicht nur unnütz, sondern sogar schädlich ist, in Büchern aufgezeichnet, dem Andenken erhalten werden: warum sollte man von dem Ruhme[3] der Fürsten unserer Zeit schweigen, welche doch den hervorragenden Feldherren Julius, Pompejus, Hannibal, dessen Bruder Asdrubal, und Scipio, dem Afrikaner, an Ruhm keineswegs nachstehen? zumal da bei ihnen, wenn sie fromm lebten, die Gnade unsers Herrn Jesus Christus zu preisen ist, wenn sie aber Böses thaten, die von ihm verfügte

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig ohne Jahr, Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/24&oldid=- (Version vom 22.3.2023)
  1. Aus dem Prologe des Terenz zum Eunuchen, Vers 41, der aber eigentlich heißt: „Nichts ist jemals gesagt worden, welches nicht vorher schon einmal gesagt wäre.“
  2. Anspielung auf Horaz II, 2, 12, und (ardentius sitiunt) Cicero, Tuscul. V, 6, 12. Das von Koehler noch angeführte Buch Cassiodors De amicitia wird jetzt Peter von Blois zugeschrieben (Migne 207, 901)
  3. Statt bella, welches in anderen Handschriften steht und nicht zu silebitur paßt, setzt man besser laus.