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Juni 7.
wurde auch gesungen: „Μἑδοντι d. i. dem Herrscher Nicephorus πoλλἀ ἒτη d. h. viele Jahre! Ihr Völker beuget euch vor diesem, verehret ihn, huldigt diesem großen Fürsten“. Wieviel passender wäre es gewesen, wenn sie so gesungen hätten: „Du ausgebrannte Kohle, komm, μἑλλε[1], schleichend wie ein altes Weib, häßlich wie ein Waldteufel, du Tölpel, du Schmutzfinke, du borstiger, störrischer, bäuerischer Barbar, du unverschämter, zottiger, widerspänstiger Kappadocier[2]!“ Durch solche lügenhafte Lobgesänge aufgeblasen betritt er also die Kirche der heiligen Sophia, während seine Herren die Kaiser ihm von ferne nachfolgen und sich beim Friedenskuß bis zur Erde vor ihm niederbeugen. Sein Waffenträger setzt mit einem Pfeile in der Kirche die Aera, welche anhebt von der Zeit seiner Thronbesteigung, und hieran erkennen nun auch diejenigen, welche dieses nicht gesehen haben, das Jahr der Aera.

11. An demselben Tage befahl er mir, sein Gast zu sein; da er mich aber nicht für würdig achtete, den Rang vor einem seiner Großen einzunehmen, so kam ich auf den fünfzehnten Platz von ihm zu sitzen, und hatte kein Tischtuch vor mir. Keiner von meinen Begleitern saß mit an der Tafel, ja sie bekamen nicht einmal die Halle zu sehen, in der ich zu Gaste war. Während der ekligen[3] und widerwärtigen Mahlzeit, die nach Sitte der Trunkenbolde mit Oel und mit einer gewissen anderen garstigen Fischlake reichlich getränkt war, that er an mich vielerlei Fragen über eure Macht, eure Staaten und euer Heer. Als ich ihm der Sache und der Wahrheit gemäß antwortete, sprach er: „Du lügst; die Krieger deines Herrn verstehen weder zu reiten noch zu Fuß zu kämpfen. Ihre großen Schilde, ihre schweren Panzer, die Länge ihrer

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk’schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/156&oldid=- (Version vom 26.4.2023)
  1. Koehler verbessert μἑλε, Narr.
  2. Großenteils entnommen den Ovid zugeschriebenen Schmähversen, Anthol. lat., ed. Riese, n. 682.
  3. Ich lese turpi statt temporis.