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945 alle Fürsten Italiens mit bösem Omen Hugo zu verlassen und dem armen Berengar anzuhangen. Arm aber nenne ich nicht den, der nichts hat, sondern den, welchem nichts genügt. Denn die bösen und habsüchtigen Menschen, deren Besitz unsicher und dem Zufall unterworfen ist, die immer noch mehr haben wollen, von denen noch niemand jemals mit dem, was er hatte, zufrieden war, die muß man nicht als wohlhabende, reiche Männer, sondern als dürftige und arme Leute betrachten. Denn nur die sind reich, und besitzen ein nutzbares und dauerhaftes Vermögen, die mit dem Ihrigen zufrieden, das was sie haben, als ausreichend ansehen. Genügsamkeit ist der wahre Reichthum; nicht alles haben wollen, ist mehr werth als große Einkünfte. Lasset uns daher einmal sagen, wer der reichere ist, der, welcher immer noch etwas vermisset, oder der, welchem über seinen Bedarf noch etwas übrig bleibt? der mehr braucht, als er hat, oder jener andere, der mehr hat, als er braucht? der, dessen Besitz, je größer er ist, um so mehr bedarf um ihn zu behaupten, oder jener, welcher sich durch seine eigenen Kräfte erhält? Zufrieden sein mit dem, was man hat, das ist der größte und sicherste Reichthum[1]. Doch hierüber sei für jetzt genug gesagt; ich kehre nunmehr zum Berengar zurück, bei dessen Ankunft alle Welt sich ein goldenes Zeitalter versprach, und die Zeit glücklich pries, welche einen solchen Mann erzeugt hatte.

28. Während er sich also zu Mailand aufhielt und die Aemter des Reichs seinen Anhängern austheilte, sandte der König Hugo seinen Sohn Lothar dorthin, nicht an den Berengar allein, sondern an das ganze Volk, mit der Bitte, da sie ihn, der nicht nach ihrem Gefallen handele, verstießen, so möchten sie doch um Gottes willen wenigstens seinen Sohn aufnehmen,

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Liudprand: Aus Liudprands Werken. Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1890, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Aus_Liudprands_Werken.pdf/109&oldid=- (Version vom 15.4.2023)
  1. Diese ganze Betrachtung ist wörtlich aus Ciceros Paradoxen VI, 3 entnommen.